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Nr. 44.

HEIDELBERGER

1863.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

. Dr. Herrmann Witte > Privatdozent an der Universisät Berlin:
Das interdictum Vti possidetis als Grundlage des heutigen pos-
sessorium ordinarium. Leipzig 1863.
Diese Schrift ist eine historische Abhandlung im guten Sinne.
Fern von jener Mikrologie, welche sich wohl auch Geschichte heisst,
aber nur Vorarbeiten liefert, ist sie bemüht, den durch die Jahr-
hunderte sich bewegenden Grundgedanken des bedeutsamen Inter-
dikts von den Anfängen an bis zum Abschluss im justinianischen
Recht zu verfolgen und in seiner jeweiligen Gestalt den natür-
lichen Zusammenhang mit den Bedürfnissen des Lebens nachzuwei-
sen. Dabei steht sie durchweg auf dem Boden der heutigen Litte-
ratur und zwar vielleicht noch etwas mehr, als sie überall äusser-
lich anerkennt. In wie weit die Wissenschaft selbst durch sie ge-
fördert wurde, das mag in dem Folgenden erörtert werden.
Der erste der acht Abschnitte, in welche die Abhandlung
zerfällt, handelt von Bedeutung und Geschichte des Interdiktenver-
fahrens überhaupt. Bei der Behandlung eines speziellen Interdikts
würde eine solche allgemeine Einleitung nur dann als gerecht-
fertigt erscheinen, wenn die hier vorgetragene Auffassung des Ver-
fahrens von der derzeit herrschenden in solchen Punkten abwiche,
welche für das besondere, behandelte Interdikt entscheidend sind.
Das ist in Wahrheit nicht dei’ Fall. Aber auch eine redundirende
Zugabe wird man mit Wohlwollen aufnehmen, sofern sie nur ihr
Thema wesentlich fördert. Der Verf. freilich hat über diesen weit-
tragenden Gegenstand schwerlich eingehende Studien gemacht; be-
gegnet man doch — und das ist in solchen Dingen ein ziemlich
zuverlässiger Maasstab — fast überall nur den bekannten Quellen-
citaten. Was aus diesem Abschnitt als von allgemeinerem Interesse
hervorzuheben ist, beschränkt sich auf ein paar Vermuthungen. So
nimmt der Verf. an, von der Gesammtheit der Interdikte seien die
prohibitorischen die frühesten. Sein einziger Grund ist ein sprach-
licher; interdictum heisse Verbot, die Ableitung der Quellen von
inter duos dicere sei unrichtig, bei Gaius finde sich der ältere Sprach-
gebrauch im Sinne von Verbot. Aber Gaius geht bekanntlich von
der weiteren Bedeutung des Wortes aus und lässt dann erst die
engere folgen, ohne entfernt für die letztere ein höheres Alter zu
vindiziren. Diese ist, rein sprachlich betrachtet, ganz zuverlässig
nicht die ursprüngliche, sondern eine abgeleitete. Die andere da-
gegen hat gerade sprachlich Alles für sich, namentlich auch die
Analogie von interfari und interloqui, sie entspricht weiter der
Sache vollkommen und ist endlich noch in dem Sprachgebrauch
LVI. Jahrg. 9. Heft. 44
 
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