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Nr. 33.

HEIDELBERGER

1863.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Weber: Weltgeschichte, Bd. IV.
(Schluss.)
„Als Karl der Grosse im achten und neunten Jahrhundert die
germanischen Staaten zu einem Ganzen zu vereinigen suchte, waren
schon die Vandalen und der edle Stamm der Ostgothen dem
Schwerte der Byzantiner erlegen, und bei den übrigen hatte sich
durch die Vermischung mit der römischen Bevölkerung bereits ein
bestimmter eigenthümlicher Volkscharakter ausgebildet und befestigt.
Zu dieser Trennung trug auch die religiöse Verschiedenheit das
Ihrige bei, indem unter den germanischen Völkerschaften die zuerst
zum Christenthum bekehrten dem Arianismus huldigten, die Fran-
ken und Angelsachsen dagegen den römischen Lehrbegriff und
Cultus annahmen und mit Fanatismus zu verbreiten sich bestrebten.
Und als im sechsten und siebenten Jahrhundert allmählig alle heid-
nischen und häretischen Lehrmeinungen verschwanden und das
römisch katholische Kirchenwesen durch Gregors Thätigkeit im
ganzen Abendlande Eingang gewann, wurde wohl ein gemeinsames
Band um alle Völker geschlungen, aber ein solches, das die natio-
nale und volksthümliche Entwickelung mehr hemmte, als förderte,
das gerade dem Romanismus die vollständigste Herrschaft ver-
schaffte und die germanische Volkscultur durch das allgemeine
kirchliche Gepräge, das sie allen Völkern aufdrückte, zurückdrängte.
Zwar bewahrten die germanischen Völker noch lange ihr eigen-
thümliches Recht und ihre auf Herkommen und UeberLieferung be-
ruhenden Gesetze; an den Malstätten wurde noch in alter Weise
das Recht gefunden, und die bedeutendsten germanischen Völker,
die Langobarden, Burgunder, Franken und Westgothen, suchten die
überkommenen Rechtsinstitute durch Sammlungen und Aufzeich-
nungen vor dein Untergang und vor Fälschung zu retten und ihren
Nachkommen zu erhalten; aber um dieselbe Zeit, ein merkwürdi-
ges Zusammentreffen, wurde in Byzanz das Justinianeische Rechts-
buch aufgestellt, das berufen war, die germanischen Völker in der
Folge nicht minder unter das römische Joch zu beugen, als die
Kirche. Römische Cultur und Sprache, römisches Recht und römi-
sches Kirchenthum waren zu mächtige Factoren der öffentlichen
Lebensthätigkeit, als dass nicht einfache, ungebildete und ehrliche
Volksstämme ihren Einflüssen hätten erliegen sollen. Nur die hei-
mischen Sitten und der angeborne Kriegsmuth, die in der ureige-
nen Natur und Geistesrichtung der Germanen wurzelten, blieben
LVI. Jahrg. 7. Heft. 33
 
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