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Nr. 55.

HEIDELBERGER

1863.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Vorschriften für die Geschäftsbehandlung in Uebertretungssachen bei
den königl. baierischen Stadt und Landgerichten in den Lan-
destheilen diesseits des Rheines. München 1862.

Zu den wohlthätigen Errungenschaften des Jahres 1848 ge-
hört. auch die, dass die seit einer Reihe von Jahren in den Händen
der Polizei liegende Strafgewalt in Bezug auf sogenannte Polizei-
übertretungen verschwand, und die deutschen Gesetzgeber endlich
die Wichtigkeit einsahen, die in Frankreich schon seit 70 Jahren
vorkommende Einrichtung einzuführen, dass auch über Polizeiüber-
tretungen ein wahrer Richter auf den Grund einer öffentlichen
mündlichen Verhandlung das Strafamt auszuüben habe. Dadurch
war die Anerkennung des Grundsatzes ausgesprochen, dass selbst
da, wo nur eine geringe Strafe in Frage stehe, die Bürgschaften
gegeben werden müssen, durch welche das allgemeine Vertrauen
begründet wird, dass nur eine gerechte Strafe, sei sie auch noch
so gering, einen Bürger treffen kann. So lange die Polizei die
Strafgewalt ausübte, musste mehr oder minder im Volke Misstrauen
entstehen, da es in der Stellung eines Polizeibeamten lag, um seine
Energie zu bewähren, rasch und daher leicht willkürlich zuzu-
greifen. Die in dem geheimen, häufig ziemlich oberflächlich geführ-
ten Verfahren als Hauptzeugen erscheinenden Polizeidiener und
Gensdarmen, die auf ihren Diensteid ihr Zeugniss bauten, wurden
zu leicht verleitet, auch weniger gewissenhaft ihre Aussagen zu
geben. Bei dem Verfahren und den Entscheidungen der Polizei-
behörde lag immer die Besorgniss nahe, dass der an die oft noth-
wendige energische Thätigkeit gewöhnte Polizeibeamte es mit der
Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften weniger genau nimmt,
und die Erfordernisse weniger beachtet, welche zur Ausmessung
einer gerechten Strafe gehören. Die gewöhnliche Unbestimmtheit
und die Allgemeinheit der Fassung der Polizeivorschriften begünstigte
ohnehin die Willkür in der Auslegung und Anwendung der Ge-
setze, daher häufig die gefällten Strafurtheile der Polizeibehörden
nicht geeignet waren grosse Achtung vor dem Gerechtigkeitssinn
dieser Behörden zu begründen, was die Folge hatte, dass im Volke
solche Strafurtheile mit Misstrauen aufgenommen, oder doch, dass
sie mit einer gewissen Gleichgültigkeit betrachtet wurden und der
Rechtssinn im Volke litt. Niemand der den Rechtszustand und die
Stimmung im Volke betrachtet, kann verkennen, dass Unzufrieden-
heit, wenigstens die Gleichgültigkeit, mit welcher die polizeilichen
Strafurtheile im Volke gewöhnlich aufgenommen wurden, auf die
LVL Jahrg. 11. Heft 65
 
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