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E. Fichte: Lichtstrahlen aus Fi^hte’s Werken.

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wird als Geburt dargestellt (S. 143,ff.). Von der Seligkeit:
„Das wahrhaftige Leben ist durch sich selber selig, das Schein-
leben ist nothwendig elend und unselig. Die Möglichkeit Alles Ge-
nusses, Freude, Seligkeit oder mit welchem Worte ich das allge-
meine Bewusstsein des Wohlseins fassen will, gründet sich auf
Liebe“ (S. 146).
Im moralischen Abschnitte werden Sittenlehre,
Sittengesetze und Verschiedenes unterschieden. Der Grund-
satz lautet: Was du liebst, das lebst du.“ Die fünf Standpunkte
der Weltauffassung sind theoretischer Sensualismus, Stoicismus,
Moralität, Religiosität, Standpunkt der Wissenschaft. „Der wahr-
haftige und vollendete Mensch soll durchaus in sich selber klar
sein: denn die allseitige und durchgeführte Klarheit gehört zum
Bild und Abdrucke Gottes. Von der andern Seite aber kann frei-
lich keiner diese Anforderung an sich selber thun, an den sie nicht
schon ohne alles sein Zuthun ergangen und dadurch selbst ihm erst
klar und verständlich geworden ist“ (S. 160). Der Charakter des
Sittlichen ist „Selbstlosigkeit, Liebe, Wahrhaftigkeit, Einfachheit.“
Von den Frömmlern sagt er: „Unter dem Scheine der Religion
und Sittlichkeit widerspricht man unserer Lehre vom sittlichen
Charakter mit grosser Irreligiosität und Unsittlichkeit und zu kräf-
tiger Beförderung des letztem, indem man eine solche absolute
Heiligung des Willens und die Möglichkeit derselben wohl etwa
zugibt (weil man muss) nur nicht in diesem Leben, sondern sie für
ein anderes verspart: in diesem Leben könnten nun einmal die
Menschen nicht anders als unsittlich und weltlich sein und sittlich
etwa höchstens als Ausnahme, oder auch wohl gar nicht, sondern
nur sich nach jener Heiligung sehnen. Einen apriorischen Beweis
können sie für diese Behauptung nicht führen. Ein solcher wäre nur
möglich aus dem Begriffe des specifischen Unterschiedes der Erschei-
nung dieses oder jenes Lebens, den sie durchaus nicht haben. Also sie
können diese ihre Einsicht nur aus der Erfahrung geschöpft haben
und zwar, da sie andern nicht in das Herz sehen können, die äussere
Beurtheilung sich aber wohl nach ihren eigenen Maximen richtet,
nur aus ihrer eigenen, welche doch blos aussagt, dass sie das nicht
sind, was sie sein sollen. Und so verhält es sich denn auch in der
That. Die Andächtigen dieser Art heben immer mit einer öffent-
lichen Beichte ihrer eigenen Sündhaftigkeit und der tiefen Greuel
an, dass sie von Gott abführen und seiner unwürdig machen. Es
kann wahr sein, dass sie so sind, kann aber auch nicht so sein, und
sie können um ihrer Maxime willen, dass man Gott gefalle, wenn
man sich recht niederträchtig vor ihm mache, sich selbst unrecht
thun. Und so möchte ich denn wissen, wo da die gerühmte De-
muth, Religiosität und Sittlichkeit liege, wenn sie, ohne sich da-
zwischen nur zu besinnen, dass sie das ih m, behaupten, kein Mensch
könne besser sein, denn sie, und ihr Verderben sei ja nicht etwa
Gebrechlichkeit ihrer individuellen Natur, sondern das allgemeine
 
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