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Jeitter: Die Strafanstalt zu Schwäbisch-Hall.

es vorkommt; dass mehrere Gefangene, alte und junge, Leute bes-
sern Standes und Vaganten nicht nur in ein Local gebracht, son-
dern dass schon je zwei in Einem Bett zu schlafen genöthigt wor-
den sind. Was Wunder, wenn man nicht selten den Vorwurfhören
muss, dass die Entlassenen schlimmer heimkehren als sie vorher
gewesen“ (S. 43), Aber diese Scheidung sollte
b) auch bei Beurtheilung der Vergehen eintreten,
wenn man namentlich erwägt, dass weitaus die meisten derselben
als Folge einer im höchsten Grade vernachlässigten Erziehung ein-
treten. Es bleibt deswegen gewiss das Richtige, wenn z. B. in
Frankreich, Belgien, Holland u. s. w. dergleichen jugendliche Ver-
brecher zunächst in besonders dazu eingerichteten Erziehungs-
anstalten untergebracht werden, und es ist ebenso als eine Hand-
lung menschenfreundlicher Weisheit des Königs Friedrich Wilhelms III.
anzuerkennen, dass er (in der Cabinetsordre vom 19. Juli 1825)
verordnete, solche jugendlichen Verbrecher vor allem in Erziehungs-
anstalten zu versetzen und erst wenn man sich überzeugt habe, dass
der Zweck ihrer Besserung dort nicht erreicht werden könne, sie
den Strafanstalten zu übergeben. In einer Erziehungsanstalt lässt
sich auch je nach individuellem Bedürfniss der Aufenthalt abkürzen
oder verlängern, was nach dem heutigen Begriffe von Strafrecht
in einer Strafanstalt nicht geschehen kann, so dass es vorkommen
muss, dass einzelne Individuen zu alt in derselben werden, andere
zu kurz sich in derselben aufhalten, um irgend einen Erziehungs-
zweck erreichen zu können. Namentlich ist es die beträchtliche
Verhältnisszahl von Landstreichern, die vielleicht eine Strafe von
einigen Wochen erhalten (S. 59), und „welche, wenn sie sich von
unserm Hause verabschieden, jedesmal die traurige Hoffnung auf
baldiges Wiedersehen zurücklassen“ (S 60). Hier könnte nur eine
längere Gewöhnung an eine bestimmte Ordnung des Lebens einen
gedeihlichen Erfolg versprechen. Muss doch manchmal in den Seelen
solcher unglücklichen Kinder der Begriff eines geregelten Lebens
erst dann aufdämmern, wenn sie in die Strafanstalt eingetreten sind,
so dass sie dann nicht selten, „kommt die Stunde ihrer Entlassung,
unter Weinen klagen, dass ihnen nichts übrig bleibe, als wieder zu
betteln und zu vagiren“ (S. 58). In Würtemberg hat man des-
halb den Versuch gemacht, ein Rettungshaus zu gründen, wo wenig-
stens „besonders entartete, ältere Knaben evangelischer Confession“
(S. 59) untergebracht werden können. Hiermit hängt aber
c) genau zusammen, dass die Hausordnung einer solchen
Anstalt für jugendliche Verbrecher sich noch mehr und bis in
ihre Grundzüge unterscheiden sollte von den anderen heutigen
Strafanstalten. Wenn eine solche Anstalt mehr nur die Eigenschaft
einer Zwangserziehungsanstalt haben kann, um dasjenige nach-
zuholen, w'as an solchen unglücklichen Kindern von ihren Eltern
versäumt worden ist, so ergibt sich daraus gewiss ein sehr wesent-
licher Unterschied für ihre Hausordnung. Verhältniesmässig nur
 
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