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850 Schriften über Gefängnis swesen.
Dahin gehörte vor Allem das norddeutsch ruhige und schwer-
fällige Wesen der im Ganzen gutartigen, Nichts weniger als durch-
triebenen, fast ausschliessend ländlichen Bevölkerung seiner
Anstalt. Er liess sich hierdurch zu der Meinung verleiten, wenig-
stens bei seinen Gefangenen würde eine so streng durch-
geführte Absonderung, dass Dieselben sich nicht einmal kennen
lernten, überflüssig und alle dahin zielenden Mittel würden blosse
„Künsteleien“ sein. Wie bedenklich jedoch immer auch das
scheinbar unbedeutendste Abweichen von einem richtigen Grund-
satz bleibt — zeigt sich hier z. B. schon darin, dass dasselbe Stich-
wort („Künsteleien oder kunstmiddelen“) auch den Senatsdeputationen
der grossen Stadt Bremen und später sogar dem Haupt des
Gefängnisswesens Niederlands, wo es doch eine Menge grosser
Städte gibt, dazu dienen musste, die hölzernen Scheidewände der
Zellen-Kirche und Schule, die abgesonderten Spazierplätze, die Un-
kenntlichmachung der Sträflinge für Einander auf dem Wege dahin
aus der Zelle und zurück — als „Uebertreibungen“ der Absonde-
rung zu bezeichnen, da sie doch nur die allgemein unerlässlichen
Mittel ihrer wirklichen Durchführung sind^ wozu das blosse
Arbeiten und Schlafen in einer Zelle offenbar nicht hinreicbt; denn,
wie Cool richtig sagt, ist die Zelle allein ebensowenig das Heil-
bringende als der Sal als solcher das Verderbenbringende. Für
eine aus grossen Städten stammende Gefängnissbevölkerung leuch-
tet aber die dringende Gefahr ihres Bekanntwerdens unter sich der-
massen ein, dass hier die Nichtigkeit des von Hoyer bei seinen
Gefangenen geltend gemachten Scheingrundes mit Händen zu grei-
fen ist. Hoyer glaubte ferner, dass die nach der Ueberzeugung der
Verwaltung wirklich Gebesserten früher oder später sogar ohne
Nachtheil wieder in Gemeinschaft beschäftigt werden könnten.
Zu dem Ende sollten sie dann, auf Antrag der Verwaltung zu einem
s. g., bis jetzt noch nicht vorhandenen, „Uebergangshaus“ begna-
digt werden, um in diesem Abschnitt ihrer Strafzeit, bei weit freie-
rer Bewegung und vorherrschenden landwirthschaftlichen Arbeiten,
allmählich, wie er meinte, zur· Rückkehr ins freie bürgerliche Leben
vorher eitet zu werden.
In allen diesen Selbsttäuschungen, die seinem menschenfreund-
lichen Sinn entsprachen, ward er nicht wenig bestärkt durch die
ewig wiederholten Anpreisungen der angeblich glänzenden Erfolge
des s. g. irländischen Strafvollzugs W. Crofton’s mit seinen
„Zwischenanstalten“*). Wir haben Diess mit Bedauern in seinen
letzten Lebensjahren wahrgenommen; und daraus erklärt sich auch
sein reger Antheil an der Ho ltzen dorff’schen „deutschen Straf-

*) Da wir diesen grossartigen Schwindel in einer besondern Abhand-
lung (Nr. 4) unseres eben erschienenen Werks „Der Strafvollzug im Geist
des Rechts“ eingehend beleuchtet haben, so müssen wir uns hier erlauben
darauf zu verweisen.
 
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