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Aless. d’Ancona: La Rappresentazione Drammatica.

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aber auch von Geographie und Chronologie wissen sie ebensowenig
wie Calderon und Shakespeare und lieben es ausserdem alles nur
irgend mögliche nicht, erzählungsweise, sondern sinnlich dem Zu-
schauer vorzuführen ; daher badet sich Susanna auf der Bühne und
zieht sich fast nackt aus; dort auch haut sich Oliva die Hände ab,
dort werden die Märtyrer enthauptet, verbrannt und geviertheilt;
auf der Bühne auch kommen die Helden zur Welt (wenigstens hört
man das Schreien der kreissenden Frauen) und sterben dort auch
als Greise. Ferner stellt die Scene nicht selten zweifache Localitä-
ten vor, wie z. B. Pallast und Wald, Stadt und Land, Königsschloss
und Kerker, ja im »Antichrist« sieht man auf der Bühne wie in
den alten Mysterien das Paradies zur Rechten, die Hölle zur Lin-
ken und oben den Himmel mit Christus, Maria und den Engeln.
Ferner machen sich in den Maggi besonders zwei Elemente gel-
tend, das spektakelhafte und das wunderbare ; zu jenem gehören
voi’ allem die Schlachten, worin namentlich Kämpfe zwischen Chri-
sten und Türken Statt finden, statt deren aber auch oft Zweikämpfe
oder Turniere eintreten; ferner sieht man Krönungen und andere
Prunkscenen, Meeresstürme, Himmelfahrten, so wie wilde aber kluge
und menschenfreundliche Thiere z. B. den Löwen und den Wolf,
welche die Kinder des Eustathius rauben und retten. Das wunder-
bare Element zeigt sich in den Engeln, die Gottes Willen verkün-
den und Trost bringen, in den Erscheinungen von Heiligen, oder
wenn der Scheiterhaufen die unschuldige Dusolina nicht verbrennt,
sondern plötzlich erlischt, so wie es endlich auch an mancherlei
Zauberkünsten und Hexereien nicht mangelt. Mit dem Ernsthaften
und Heroischen findet sich aber auch das komische Element ver-
flochten , wie in dem altern Theater der Engländer, Spanier und
Deutschen; und der buffone entspricht nicht nur dem stultus der
Mysterien, sondern auch dem clown, dem gracioso und dem
Hanswurst, während andere Mal der Teufel als Lustigmacher
auftritt oder auch pedantische Gelehrte und betrügerische Verwalter
die komische Rolle ausfüllen. Es versteht sich übrigens von selbst,
dass stets, und besonders in den geistlichen Spielen, eine sittliche
Idee mehr oder minder deutlich zu Tage tritt und die Unschuld
über die List, die Schwäche über die Gewaltthätigkeit, die Gerechtig-
keit über die Tyrannei den Sieg davon trägt; die Moral aber ist
entweder dem Stücke selbst entnommen und wird am Schluss des-
selben in Worte gefasst ausgesprochen oder besteht in der Auffor-
derung zu reichlichen Beiträgen für die zum Behuf irgend eines
religiösen Zweckes vorgenommene Sammlung. Auf die Moral folgt
die fast nie fehlende licenza, welche der Sprecher des Prologs
vorträgt und womit er die Zuschauer verabschiedet, indem er für
die erwiesene Aufmerksamkeit dankt oder für das Misslingen um
Nachsicht bittet oder auch ein glückliches Dasein hienieden und
jenseits verheisst, worauf daun noch bei geistlichen Maggi ein
Ohorgesang oder Loblied zu Ehren Gottes, der Jungfrau oder des
 
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