Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
56

Plüss: Die Entwickelung der Centurienverfassung.

Staatswesen gewonnen, dass man eine uralte Einrichtung heute
abschafft, um sie morgen wieder einzuführen? Ueber die Bedeu-
tung der Ritter im römischen Staat während des 2ten puniscben
Kriegs scheint wenigstens Hannibal anders geurtheilt zu haben,
wie der Verf. aus Livius ersehen kann Liv. 23, 12. Also die Re-
form, welche nach dem Jahre 241 stattgefunden hat, beschränkte
sich auf die gleiche Vertheilung der Stimmen der ersten Klasse
auf die Tribus, respective deren Verminderung um 10, die der
2ten Klasse zugewiesen werden konnten, dagegen dio Rittercenturien
mit 18 Stimmen und eine der Werkleute zwar nicht die volle Ma-
jorität ausmachten, aber nur noch 8 Stimmen dazu erforderten.
So hat Cicero durch den Mund Scipio’s die Verfassung dargestellt,
indem er nach ausdrücklicher Erwähnung der 18 Rittercenturien
und der Centurien der Aeltern und Jüngern nur 70 Centurien für
die erste Klasse annimmt, wobei er nur die Verfassung zu seiner
Zeit im Auge gehabt haben kann, weil sonst die erste Klasse 80
Centurien zählte und er die 6 suffragia nicht hätte erwähnen
können.
Hat schon die erste angenommene Reform grosses Bedenken
erregt, so ist die 2te, die der Verfasser mit 179 beginnt, noch
weniger wahrscheinlich. Indem er von der bekannten Stelle des
Livius 40, 51 ausgeht, nimmt er an, innerhalb der alten Tribus
sei eine Eintheilung aus bekannten socialen Bestandtheilen gemacht
worden oder die Censoren theilen die stimmfähige Bürgerschaft
nach Wohnort, Geburt, Vermögen und Erwerbsart in 35 Theile.
Die armen Tribulen, welche kein Stimmrecht hatten, blieben in
ihren bisherigen Tribus; die übrigen wurden nach ihrem Stande,
Vermögen und Erwerb in gewisse Hauptstufen getheilt, die einer
Gruppe von Tribus entsprechen — innerhalb jeder Hauptstufe wer-
den dann so viel Unterabtheilungen nach dem Wohnort gemacht,
als es in der entsprechenden Tribusgruppe Tribus gab. Nur diese
von den Censoren gebildeten beweglichen Hälften der Tribus mach-
ten die Centurienversammlung aus. Die Stellen, welche für diese
Ansicht angeführt wurden pro Flacc. 7, 15 ; de Legg. III, 7 hat
bisher Niemand im Sinne des Verfassers verstanden, wie sie sich
dann ganz ungezwungen mit den bisherigen Ansichten vereinigen
lassen. Dass cap. 4, 11 und 19, 14 nicht anders verstanden wer-
den können, versteht sich von selbst, und man sieht deutlich, wie
der Interprete hier ganz durch die vorgefasste Ansicht bestimmt
ward, während umgekehrt aus der unbefangenen Erklärung die
unmassgebliche Meinung herauswachsen sollte.
Anf solche Weise findet dann der Hr. Verf. glücklich 3 Tribus-
gruppen heraus: 1) die 16 alten Tribus, welche von patricischen
Geschlechtern den Namen tragen, für die Nobilität; 2) die 15
später hinzugekommenen, welche geographische Benennung haben
sind für die plebejische Bauerschaft bestimmt; endlich 3) die
4 letzten sind den Freigelassenen zugewiesen. Damit nun aber
 
Annotationen