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Nr. 23.

HEIDELBERGER

1871.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Harms: Philosophische Einleitung.

(Schluss.)
Schelling will in seiner Evolutionstheorie aus Begriffen die
Materie construiren , Was freilich in der Wissenschaft immer von
Bedeutung ist, aber ohne die Voraussetzung des durch die äussere
Wahrnehmung erkannten Stoffes in rein apriorischer Weise nicht
durchgeführt werden kann. Die Evolutionstheorie denkt das Ab-
solute als eine unendliche, sich in der materiellen und geistigen
Welt evolvirende Thätigkeit.
An die Kritik dieser Entstehungstbeorien der Materie schliesst
der Herr Verf. die dynamische Naturansicht an, welche er als die
berechtigte und vorzüglichere gegenüber den Systemen des Idealis-
mus, der Emanation und Evolution vertheidigt. Man wirft dem
Dynamismus, welchen man mit Unrecht mit dem Schelling’schen
Idealismus oder gar mit dem mechanischen Cartesianismus zusam-
menwirft, die Unmöglichkeit einer continuirlichen Raumerfüllung,
eines wirklichen Geschehens, und einer Deduction qualitativer Unter-
schiede vor.
Es wird S. 396—400 nachzuweisen versucht, dass dieser Vor-
wurf nicht der dynamischen Naturansicht, sondern im Gegeutheile
der atomistischen und mechanischen Naturanschauung gemacht wer-
den muss.
Die Materie erscheint bald organisch, bald unorganisch, bald
lebendig, bald todt. Nur unter gewissen Bedingungen und Voraus-
setzungen erscheint sie lebendig und organisch. Sie ist an sich
nicht lebendig, nicht organisch, als unorganische Materie ein rein
negativer Begriff. Sie wird erst ein positiver dadurch, dass das
Leben zu ihr hinzutritt. So denkt man sich im Hylozoismus und
Vitalismus die Materie positiv, lebendig, das Leben ist ihr imma-
nent. Der Stoff ist hier der Träger des Lebens und der Beseelung.
Wenn aber das Leben das wesentliche Element des Stoffes wäre,
so dürfte es an ihm nicht zufällig, nicht einmal vorhanden und
nicht ein anderesmal nicht vorhanden, es müsste dauernd und blei-
bend in der Materie sein. Daher hat man in dieser Ansicht vom
Leben als dem Wesen der Materie zwischen latentem und offen-
barem Leben unterschieden. Man will den negativen Begriff der
unorganischen oder todten Materie durch die latent lebendige in
einen positiven umwandeln. Ein verborgenes Leben ist aber nur
LX1V. Jahrg. 5. Heft. 23
 
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