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Harms: Philosophische Einleitung.

ein potentielles. Die Möglichkeit des Lebens ist noch keine Wirk-
lichkeit. Man hat noch immer nicht den positiven Begriff der
Materie ; denn organisch wird sie erst durch das wirkliche Leben.
Das Leben ist, wie der Hr. Verf. S. 401 sagt, »etwas Transcen-
dentes in Beziehung auf die Materie.« Desshalb ist aber das Leben
der Materie gegenüber kein »absolut Fernes^-, sondern beide kön-
nen, wie die Erfahrung zeigt, »in der Nähe bei einander sein.«
Wenn das Leben nach dem Hylozoismus und Vitalismus· der Ma-
terie immanent ist, so bleibt ihnen die Materie selbst an sich
immer nur ein negativer Begriff. Man kann entweder besondere
Lebenskräfte annehmen, welche, um die Erscheinung des Lebens
hervorzurufen, zur Materie hinzutreten müssen, oder man kann
sich eine bestimmte Ordnung und Verbindung der Stoffe als Grund
des Lebens denken, oder das Leben und die Seele als eine andere
Erscheinungsform der Substanzen vorstellen, so, dass die Materie
der Seele und dem Leben gegenüber eine andere Erscheinungsform
der Substanzen ist. In jeder dieser Vorstellungsarten bleibt das
Leben gegenüber der Materie transcendent. Der negative Begriff
der Materie reicht aber zur Construction der Wissenschaft nicht
hin, sie verlangt einen positiven Begriff. S. 402 sagt der Herr
Verf. »Das positive Wesen der Materie liegt nicht in ihren nega-
tiven Prädikaten, weshalb sie unorganisch, todt, leblos genannt
wird, sondern in den ihr immanenten Kräften der Bewegung, wo-
mit die Physik und die Chemie sich beschäftigen, der Schwere,
der Wärme, des Lichts, der Elektricität, der chemischen Verwandt-
schaft.« Diese bewegenden Kräfte treten an die Stelle der negati-
ven Merkmale, sind der Materie immanent. Die Materie ist daher
eine »Einheit bewegender Kräfte«, die nicht wechseln, wie sich
das Leben wechselnd bald in ihr zeigt, bald in ihr nicht vorhan-
den ist. Sie sind das »Wesen und die Substanz der Materie.« Sie
kann von den Kräften nicht getrennt werden und ist ohne diese
eine blosse Abstraction. Eben so wenig kann man die bewegenden
Kräfte von der Materie trennen, da auch jene ohne diese nur ein
Abstractum sind. Die durch die Empirie gefundenen bewegenden
Kräfte müssen auf eine Einheit zurückgeführt werden, in welcher
das Wesen der Materie beruht. Nach Cartesius ist die Ausdehnung,
nach Schelling und Hegel die Schwere, das Wesen der Materie.
Kant bildet den Uebergang von dem ersten zu den beiden
letzten, indem er die Ausdehnung und die Schwere als die wesent-
lichen Attribute der Materie verbindet. Diese Ansichten werden
als ungenügend bezeichnet. Die Ausdehnung ist nur »ein secun-
däres Moment, die Schwere nur eine besondere bewegende Kraft«
derselben. Nur die allen Bewegungen gemeinschaftlichen Bedin-
gungen können das Wesen des Stoffes bilden. Diese Bedingungen,
welche bei allen Arten von Bewegungen vorausgesetzt werden müs-
sen, sind die »Vielheit der Dinge« und die »äussern Ursachen.«
Beide können nicht von einander getrennt werden. Die Atomistik
 
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