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302 Laboulaye: Geschichte d. vereinigten Staaten. III, 2.
und den Franzosen zugedachten Lehren die eine oder andere, so
wahr sie auch sein mag, heraushebe? Sie waren wesentlich im
Hinblick auf die Fortdauer des Empire und unter Voraussetzung-
seiner endlichen Fortbildung zum parlamentarischen Regime ge-
fordert worden.
Sind diese Lehren auch ebenso viele Ueberzeugungen, wie sie
der Verfasser geäussert hat, so hat die Lage der Dinge in Frank-
reich unter den Schrecken des Krieges, der bereits das Empire
gestürzt hat, dieselben um ihre Tragweite, und darum die Kritik
um ihr Material gebracht.
Selbst die römische Frage, welche ein so schwieriges Problem
der Regierungspolitik gewesen, hat der wilde Krieg nm die Lösung, die
ihr der Verfasser schien zugedacht zu haben, gebracht. Und wie
glücklich war er, diese Lösung empfehlen zu können; er übersah
sogar, wie himmelweit verschieden die Union mit ihrem Columbia
von der katholischen Kirche mit ihrem überkommenen Staatsgut
waren 1 S. 414.
Wenn wir nicht für uns aus seiner Lehre, wie der Widerspruch,
worin Gesetze und Verfassung z. B. in Bezug auf Religion gerathen kön-
nen, beseitigt wird, zu schöpfen suchen, dann ist es schon um das
Buch schade, dass der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland
ausgebrochen ist. Freilich ist uns unbenommen, über den Krieg
hinauszublicken, und uns die Tage zu veranschaulichen, wo die
Franzosen sich wieder mit ihren Verfassungsfragen beschäftigen
werden. Sollte nicht der Kritiker mit dem Dichter einmal um
den Erfolg der Voraussicht wetteifern dürfen? Wir wollen hoffen,
dass sie dann Laboulaye’s Urtheil, sie seien kein politisches Volk
(S. 454 u. ff.), Lügen strafen, ein Urtheil, das eben so zutrifft,
wie es aufrichtig gesprochen war. Sollten sie das Lob, ein mili-
tärisches Volk zu sein, darüber einbüssen, ihr Werth unter den
Völkern wird steigen, je mehr sie politisch werden. Und wenn
wir dann fragen, welche Lehren ein so wunderbares Resultat zur
Folge gehabt haben werden, dann wird gewiss das Werk Labou-
laye’s namhaft gemacht werden, über das zu berichten, wir uns
zu einer grossen Ehre angerechnet haben.
Eine eigentümliche Fügung stellt aber Laboulaye’s Geschichte
dei’ vereinigten Staaten in Bezug auf das, was Frankreich dahin
führen wird, ein anderes Werk an die Seite, auf das ich leider
hier nicht eingehen kann. Ich meine den statistisch beschämende Ver-
gleich Frankreichs mit dem Auslande, den der Belgier Laveleye ange-
stellt hat.*) Bis zu dieser Aufrichtigkeit hatte Laboulaye nicht gehen
können; dafür wird der Krieg den Eingebildetsten die Augen öff-
nen und später wird sich Frankreich vielleicht ein ähnliches Zeug-
niss bescheinigen lassen.

*) Laveleye, La Prusse et l’Autriche depuis Sadowa. 2 vol. in 12.
Paris 1870.
 
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