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Schriften über griechische Metrik.

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Aehnlich verhält es sich auch mit den beiden Theilen einer rhyth-
mischen Reihe. Selbst wenn man wollte, dass ihre Betonung mit
gleicher Kraft das Ohr träfe, müsste man den zweiten stärker be-
tonen. Denn ein zweiter Ton, wenn er dieselbe Stärke hat, wie
der erste, erscheint dem Gefühle schwächer; um einen gleich groszen
Eindruck zu machen, muss er stärker sein.
Die einzelnen πόδες μεγάλοι (oder metra) jener anapästischen
Verse dagegen haben fallenden Rhythmus, was schon daraus ge-
schlossen werden kann, dass sie mit reinen Anapästen beginnen,
(während die anapästischen πόδες μεγάλοι, mit steigendem Rhyth-
mus den ersten Anapäst mit einem Iambus zu vertauschen lieben),
sowie auch daraus, dass die Clausula vv-,- nicht die Betonung
auf der letzten Silbe zulässt, und die Betonung des zweiten Verses
keine andere sein kann als die des ersten. Diese Anapästen bieten
also rücksichtlich ihrer Betonung eine angenehme Abwechselung,
indem der Vers als Ganzes steigende, seine Theile (die einzelnen
metra) fallende Betonung haben.
Was nun von dem einzelnen Verse gilt, dass nämlich der
zweite Theil desselben stärker betont werde, als der erste, das
gilt auch von einem Verspaare. Der zweite Vers muss gegen den
ersten hervortreten, weshalb wir in dem obigen Beispiele der be-
tonten Silbe des zweiten Verses (κιυα'οιν) einen stärkeren Accent
gegeben haben.
Und wenn endlich zwei Verspaare zu einander in Beziehung
gosetzt werden, so muss auch zwischen ihnen ein ähnliches Ver-
hältniss der Betonung statt finden. Wir werden daher z. B. eine
alcäische Strophe folgendermassen betonen:
(') v-,v- ] ν-,νυ-',υ-
(') v-,v~ | v-,vv-",v-
' C) V-,V- |
(') -"'vv,-vv | -v,-v
Nur gibt die Betonung des letzten Verses einen Anstand. Der
Hauptton des letzten Verses steht nicht blosz dem des vorher-
gehenden gegenüber, sondern muss auch dem der beiden ersten
Verse das Gegengewicht halten, hat also das stärkste Gewicht in
der Strophe. Wollte man den Hauptton des letzten Verses auf den
dritten Fusz setzen (-'w,-u v,- %, -1>), so würde er zu plötzlich
herabfallen und dadurch einen unangenehmen Eindruck machen.
Wir setzen ihn daher auf die Anfangssilbe des Verses, damit die
Bewegung von ihrem Höhenpunkte an allmälicber zur Ruhe über-
gebe. Dass dies das Richtige sei, scheint der Dichter dadurch
angedeutet zu haben, dass er den Vers mit Dactylen beginnen lässt.
Denn wenn sie auch als alogische, dieselbe Zeit wie die Trochäen
einnehmen, so haben sie, ebenso wie die Anapästen den Iamben
gegenüber, ein giöszeres Gewicht.
So eben bis hierher unser Weg war, so raub wird er plötz-
 
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