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Pio Rajna: Rinaldo da Montalbano.

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erzählt findet. Die Uebereinstimmung mit dem französischen Re-
naud zeigt sich überall und wäre derselbe in Italien besser be-
kannt, so hätte Rajna, wie er sagt, diesen Theil seiner Analysen
ganz unterlassen können; gleichwohl fehlt es auch nicht an Ver-
schiedenheiten, vou denen die wichtigste darin besteht, dass der
italienische Text überall weniger weitschweifig ist als der franzö-
sische; ferner sind die zahlreichen romantischen Ereignisse des
ersten Theiles, die sich ohne weiteres als italienische Erfindungen
erweisen, hier nur sehr spärlich eingeflochten, auch haben die an-
dern Hauptcharaktere des Gedichtes in der ursprünglichen Gostalt
der Erzählung einige Veränderung zuwege gebracht. So werden
Gan und den Mainzern weit mehr Missethaten und Verräthereien
aufgebürdet als sonst, und der Grund hiervon muss in dem Wunsche
gesucht werden, die andern Barone, so wie den Kaiser selbst von
der gehässigen Rolle zu befreien, die sie in den französischen wäh-
rend einer Periode roherer und wilderer Sitten abgefassten Dich-
tungen zu spielen pflegen. Von andern Zügen abgesehen sei noch
erwähnt, dass die fränzösische Version einen Krieg gegen die
Sachsen erzählt, in welchem Roland seine Tapferkeit zum ersten
Male an den Tag legt; in dem italienischen Gedichte dagegen wird
diese in den Renaud sicherlich erst in später Zeit eingefügte
Episode kaum angedeutet, die Sachsen verwandeln sich in Sara-
cenen, welche in die Provence einfallen, und ihr König Escorfant
in den Riesen Scrofaldo, welche Verwandlungen von allen denen
genau beachtet werden müssen, die den Entwickelungsgang des
kerlingischen Sagenkreises in seinem Verlauf verfolgen wollen. Alle
diese Verschiedenheiten müssen jedoch nur gering erscheinen im
Vergleich mit der sich sonst überall bietenden grossen Ueberein-
stimmung, die allein schon genügt, um die Ueberzeugung festzu-
stellen, dass auch in diesem Theile der italienische Verfasser nicht
aus einem Prosawerk seiner Heimath schöpfte, sondern aus einer
Vorlage in fremder Sprache, welche den uns bekannten französi-
schen Versionen ziemlich nahe stand. Dass er übersetzte und zwar
aus einem Werke in Versen erhellt übrigens auch aus seinen eigenen
Worten: »La bella storia ch’ho volgarizzata«, ferner:
»Secondo ehe il cantare dice per rima.« Wenn er sich
aber der französisch-italienischen Dichtung bis ans Ende bediente,
so wird man einerseits zugestehen müssen, dass er derselben oft
nicht nur die Gedanken, sondern auch die Worte entlieh, anderer-
seits aber, dass diese Vorlage meist nur eine in der Form verdor-
bene blosse Umschreibung der Originale in der langue d’o’il
gewesen sein kann, da man sich sonst die häufig überraschende
Aehnlichkeit der italienischen und der französischen Versionen,
wie sich letztere in der venezianischen Handschrift darbietet, nicht
erklären könnte. Es scheint also unmöglich, dass der Verfasser
des italienischen Gedichts eine Prosavorlage hatte, und Rajna führt
 
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