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Hilgert, Markus [Hrsg.]; Wink, Michael [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Universität Heidelberg: Menschen, Lebenswege, Forschung — Heidelberg, 55.2011(2013)

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Schneidmüller, Bernd
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https://doi.org/10.11588/diglit.29291#0170
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Hoffnungen, ihren Sorgen, ihren Fragen und ihren
Leistungen. Das Stakkato von Lehre und Priifungen,
von Anregung und Betreuung, von Diskussion und
Korrektur als das bestandige Grundmuster professo-
ralen Lebens an der Universitat Heidelberg geriet bei
vielen Exzellenzdebatten und Drittmitteleinwerbungen
der jungsten Vergangenheit etwas in der Hintergrund.
Zu wenig zahlt das eigentliche Geriist akademischen
Lebens, das den Hochschullehrer in hohem Ma8 be-
schaftigt. Facher mit wenigen spezialisierten Studie-
renden erahnen solche Lehrorientierung kaum, zumal
sie im akademischen Wettbewerb leider so wenig zahlt.
Schon nach wenigen Semestern hatte ich den Eindruck,
irgendwie schon ewig in Heidelberg gewesen zu sein.
Ich gehorte sehr rasch dazu, wurde zum Mitglied eines
pausenlosen Verjiingungs- und Erneuerungsprozesses.
2003 war ich der jiingste Professor des Historischen
Seminars, drei Jahre spater bereits der Zweitalteste.
Rasch sollte man tradieren, wie hier Wissenschaft in
Heidelberg seit 625 Jahren betrieben wird.

Heidelberger Sogkrafte erfuhr ich auf alien Ebenen. Die
Mitwirkung in der AG Zukunft bei der ersten Exzellenz-
initiative 2006/2007 und die Verantwortung fur die
ganze Universitat offneten neue Perspektiven iiber alte
fachliche Bindungen hinaus. Altmodisch konnte man
das „Liebe zu seiner Universitat" nennen, neumodisch
brachte es mir viele Freundschaften und Kontakte zu
Kolleginnen und Kollegen in vielen Fakultaten ein.

Auf dem Weg zur „Volluniversitat“ veranderte ich
mein traditionelles ordinariales Weltbild, lernte in den

Lebenswissenschaften neue Karrieremodelle und
Umgangsformen kennen, die ich gerne fur die Geistes-
wissenschaften ausprobieren wollte, diskutierte fach-
liche Unbestimmtheiten im Marsilius-Kolleg, musste
mich im Sonderforschungsbereich „Ritualdynamik“
neuen Fragen und Kulturen offnen.

Nein - es war nicht die erhoffte Professionalisierung
als blofier Mittelalterhistoriker von 2003, die meinen
Weg an der Universitat Heidelberg begleitete. Wichtiger
wurden vielmehr die Erschiitterungen durch neue Frage-
stellungen und Methoden, durch andere Umgangs-
formen in differenten Wissenschaftskulturen, durch
einen Grad an Internationalisierung, wie sie nur
wenige deutsche Universitaten bieten. Und trotzdem
entstand bei alien Veranderungen eigener Arbeitsge-
biete und Verhaltensformen immer wieder der Ein-
druck, schon ganz lange hier gewesen zu sein. Wenn
man dann noch denkt, es ginge gar nicht mehr ohne
einen, dann vermittelt ein Universitatsjubilaum wie
das von 2011 die notige Selbstironie fur gegenwartige
Bedeutungszuschreibungen. Wer als Professor viel
Gluck hat, hinterlasst vage Spuren im Universitats-
archiv - das weifi der Historiker. Die Heidelberger
Sogkrafte werden neue Generationen anziehen, die
einst bei ihren Jubilaumsfeiern interessante Dinge
iiber Exzellenzinitiativen, Cluster, Graduiertenschulen,
Sonderforschungsbereiche oder Oualitatsmanagement
vernehmen werden. Sie lesen dann, dass dies einst die
Universitat Heidelberg 2011 bewegte - irgendwie Wun-
derlich, was damals so wichtig war!
 
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