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Hulin de Loo, Georges [Honoree]
Mélanges Hulin de Loo — Bruxelles [u.a.], 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.42068#0065

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MÉLANGES HULIN DE LOO

Die Dreieckskomposition liât keine redite Basis. An ihrem
Fuss kl'afft leerer Raum, in dem die Hande Christi ver-
schweben. Und Pilati Korper verwandelt sich plotzlich in
eine Steinbalustrade, die dem Aufbau seine Stabilitât
ninimt. Denn der Bescbauer erkennt nun, dass sich Pilatus
ans dem Raum über die Balustrade vorbeugt, wie eine
Werkmeisterbiiste aus dem Rippengeflecht eines Kirchen-
gewolbes, und dass nur das Bosch eigentümliche Auflegen
in die Flàche eine scheinbare korperhafte Einheit der Drei-
ecksgruppe zuwegebringt.
Vieles von dem Gestaltungsprinzip der Genter Kreuz-
tragung kündigt sich an. Letztlich liât aile formate Eigen-
heit bei Bosch ihre inhaltliche Bedeutung. Wie in dem
Genter Bild aile Form zur Vision sich wandelt, so ist in
dem Ecce homo jeder Liniengang, jedes Kurvenspiel Aus-
druck einer geistigen Beziehung. Aus Korper und Antlitz
Christi spricht das reine Dulden : Hingabe und Leidens-
bereitschaft. In dem Antlitz des Knechtes scheint Mitleid
aufzuleuchten ; er blickt den Beschauer an, als wolle er ihn
zur Klage über solches Leiden aufforden; Das animalisch
Bosartige verkorpert der Pharisaerkopf, der sich krampf-
haft verzieht und den Unterkiefer vorschiebt. Wie ein
scheuer Fuchs duckt sich Pilatus dazwischen. Der Ernst
seines Antlitzes verrat, wie bekümmert er ist, Doch wagt
er es niclit, sein Mitleid so offen zu zeigen wie der Knecht.
Mit eingezogenem Kopf blickt er unsicher zur Seite; die
hellen Hande irren auf dunklem Grunde schleichend umher.
Das lautlos Schleichende der Bosch ’schen Bewegunglen
client hier in unübertrefflicher Weise der Charakteristik der
Personlichkeit.
Ueber den malerischen Tatbestand der Tafel sei noch
einiges gesagt. Das dunkle Eichenbrett ist 62,5 X 53 cm
gross, 0,5 cm dick. Die harte Gipsschichte des Grandes
tritt am Rande etwas zutage. Die Malerei ist dünn, flüssig
aufgetragen, stellenweise fast nur lasierend, dann wieder
— nàmentlich wo es minutiose Details zu zeichnen gilt —
 
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