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Veltliner Brautpaar. Aus dem Prachtwerk „Das Schweizerland". Verlag von Z. Engelhorn in Stuttgart. (S. 186.)

chen — und kein Ritter fand sich, der für sie den Arm erhob.
— Sie warf sich schluchzend zur Erde und verbarg das von
Zorn und Qual erglühte Gesicht in den Händen. O! es gab
einen Arm, der sie geschützt hätte, es gab ein Herz, an dem
sie Hütte geborgen sein können — und sie selbst und sie allein
hatte sich ihr Schicksal bereitet. Sie stand auf und eiskalte
Resignation lag auf ihren Zügen; sie gehörte fortan nur dem
Vater, dem wunderlichen Vater, den sie nicht so ehren und
lieben konnte, wie ein Kind es soll. Aber gleichviel, es war
ein stiller Winkel, der sie neben ihm barg, und jeden Klang
aus der Außenwelt haßte sie.
Unterdessen mußte Gertrud noch mit der Marschallin im
Seebad ausharren, bis die Eltern heimkehrten. Die allseitige
Stimmung war sehr gedämpft seit den letzten Ereignissen und
Sibyllens Abreise. Frau Marschallin begönnerte-Herrn Bandel

ich hoffe Dich bald in meine mütterlichen Arme schließen zu
können."
Da saß Sibylla — morgen war ihr Geburtstag — sie
zählte dann siebenzehn Jahre. War dieß blasse, bittere, schmerz-
dürchwühlte Gesicht das eines siebenzehujährigen Mädchens?
Sie sprang auf und faßte wie wirr in das dichte, weiche Haar;
die schweren Flechten lösten sich und fielen herab, ein Ausdruck
finstern Hohnes verzerrte das schöne Gesicht. „Ha! ha!"
lachte sie laut und bitter auf, „ja freilich, wir sind Kinder!"
Sie schritt ruhelos im Gemach auf und ab. So also wagte
man sie zu behandeln, die Tochter des nahen Blutsver-
wandten, ein Spielzeug war sie ihnen, das man beliebig auf-
nahm und beiseite legte — und wo war Einer, der sie schützte,
der ihre Ehre rächte? Sie war ein Mädchen, mit diesem zarten
Ehrenschild, das der leiseste Hauch schon trübt, sie war ein Mäd-

(Fortschung.)
Als Sibylla etwa drei Wochen neben dem Lager des un-
ruhigen Kranken ihre Geduld geübt, während welcher sie nur
flüchtige Zeilen von der Taute oder den Cousinen mit der Frage
nach dem Befinden des Kranken erhalten hatte, langte ein län-
gerer Brief der Kräfin au Sibylla an. Sie hatte viel daran
zu lesen und saß still und starr,
selige Blatt schon in ihren Schooß
gesunken war.
Es enthielt die Anzeige einer
Doppelverlobung: Mktorinens
mit Graf Bernhard Monalti und
Heiuo's mit Comtesse Lydia.
Diesen Anzeigen fügte die Gräfin
Folgendes hinzu:
„Ich sehne mich sehr danach,
zu Dir eilen zu können, meine
liebe Sibylla, sobald nur diese
Familienereignisse es mir erst ge-
statten. Heino hat mir gebeichtet.
Er war bisher ein unbesonnener
Knabe, Du ja noch ein unerfah-
renes Kind, wie darf man euch
die Aufwallung einer romantischen
Stunde schwer anrechnen! Du
hast indeß Verstand und viel
frühreife Einsicht, ich erwarte von
Dir jetzt eine vernunftgemäße
Auffassung der Sache. Heino's
Handlungsweise, der in diesem
Augenblick als glücklicher Bräuti-
gam neben seiner Lydia steht,
sagt Dir, wie es mit seinen Ge-
fühlen beschaffen gewesen, der
Ernst wird ihm nun kommen mit
den neuen Pflichten — er läßt
Dir die Gerechtigkeit widerfahren,
daß Du meist nur passiv und
eher abwehrend Dich benommen,
er aber in raschem, gedanken-
losem Leidenschaftstaumel Dir ein
bindendes Versprechen gegeben
zu haben glaubt. Du wirst jetzt
selbst wissen, was Du davon zu
halten hattest, und ich will Dich
auch nicht weiter tadeln. Solche
Kindereien kommen in manchem
jungen Leben vor und entlocken
uns später im gereifteren Alter
nur ein Lächeln. Möge der
Himmel Dich behüten und Dir
Deinen Vater noch erhalten,
Jllustr. Welt. XXVI. 8.

Gräfin Siöylla.
Roman
Von
Alexander Römer.

noch lange nachdem das un-
 
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