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26. t6<?6- ^)A> ^tuttgsrt. ^tipsls unü ^r«n.

Am Lagerfeuer.
Erzählung
von
Louis Rosrnthal.
(Nachdruck verboten.)
Tief im Innern des argentinischen Landes, da wo die hohe
Sierra de Cordoba steil nach der meeresgleichen, unabsehbaren
Fläche der Pampas abfällt, schritt ein junger Mann in Waid-
mannstracht durch den Wald. Die Büchse im Arm, spähte er
aufmerksam umher, besonders an den Stellen, wo die Bäume
weniger dicht standen und einen freieren Ausblick auf die höher
liegenden kahlen Hänge gestatteten. Aber nichts zeigte sich
seinen suchenden Augen, ernst und schweigend lag die Wildniß
da und nur hoch über ihm, im blauen Aether, zog ein Raub-
vogel seine majestätisch-ruhige Bahn.
„Zum Kukuk!" murmelte er endlich unmuthig vor sich hin,
„ist denn das Gebirg ganz ausgestorben, — die Sonne geht
unter und wenn ich noch zu Schuß kommen will, kann ich mich
sputen. Vielleicht, daß ich weiter oben was antrcffc."
Er warf das Gewehr über die Schulter und klomm be-
schleunigteren Schrittes die steile Berghalde empor. Nach einer
Viertelstunde lichtete sich der Wald und er betrat eine sumpfige
Bergwiese, deren plattgedrücktes, welkes Gras deutlich zeigte,
daß hier vor Kurzem noch Schnee gelegen hatte. Weiter oben,
wo das nackte Granitgerippe der Sierra sich in seltsamen,
abenteuerlichen Formen emporthürmte, waren auch jetzt noch
viele bläulich überhauchte Schneereste und Streifen zu sehen.
Der junge Mann, — ein Deutscher, wie die vorhin ge-
murmelten Worte erkennen ließen, — wandte sich nach rechts,
einem kleinen Bergwasser entgegen, das in zahlreichen lustigen
Kaskadellen herniederrauschte. Kaum hatte er jedoch ein Dutzend
Schritte gemacht, als ein leises Rieseln von Gesteinsschutt ihn
aufsehen machte. Hoch droben über die Vorsprünge und Ge-
simse der nächsten Felsenwand setzten zwei Guanacos in zier-
lichen Sprüngen dahin. Die Büchse an die Wange reißen und
einen Pfiff ausstoßen, war für den Jäger ein Werk des Augen-
blicks. Unwillkürlich stutzten die flüchtigen Thiere, — zu ihrem
Verderben, — denn gleichzeitig berührte ihr Verfolger den
Stecher des Schlosses, der Schuß schmetterte durch die Felsen
und eines der Guanacos rollte, sich mehrmals überschlagend,
über die Wand und die Schutthalde herab, an deren Fuß es,
mit den Läufen krampfhaft gegen das Gestein schlagend, liegen
blieb und nach wenigen Minuten verendete.
Nachdem Georg, wie wir den jungen Waidmann nennen
wollen , den abgeschossenen Lauf wieder geladen, belud er sich
mit feiner Beute und setzte sich nach links hinüber in Marsch.
Da die Sonne hinter dem nahen westlichen Kamm des Gebirges
gesunken war und bereits tiefe Dämmerung im Wald unten
herrschte, so hiett er sich oberhalb desselben, wo er einen bessern
Ueberblick des Terrains haben und rascher vorwärts gelangen
konnte.
Eine gute halbe Stunde war er so dahin geschritten, als
er eine ungeheure, kesselsörmige Senkung erreichte, aus deren
dämmeriger Tiefe ein Chaos der riesigsten und sonderbarsten
Felsgestaltungcn aufragte. Wie um sich zu orientiren, blieb
Georg stehen und schaute aufmerksam um sich.
Silhouettenartig scharf hoben sich die amethystfarbigen,
zackigen Granitkämme ringsum vom klaren Abendhimmel ab.
Jllustr. Wett. XXVI. 26.


Das alte Schloß zu Arnstadt. Zeichnung von Stroobant. (S. 630.)

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