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rHKs AethsunllrwüNLigsUr Duhrgllng,

17. Ach.

^tuttgsrt. Arrpstg uns Hjen.

Krölindet.
Eine Bühnenerinnerung
von
Karl Glabisch.
(Nachdruck verboten.)

Wie ein Sturm der Nacht durchaihmet's
Ihre Brust in wilder Andacht,
Drängt ihr Herz, ein Wonnctoben
Auszuweincn,
Vor dem Einen,
Den auch Sterne tönend loben."

Dieß Blatt ist überschrieben: Danzig, Viktoriatheater,

hier unter dem grünen Laubdach, bei einem kühlen Glase Mai-
trank, den unser Wirth dort, aus duftiger Bowle geschöpft,
gastlich uns kredenzt hatte. Ein paar verlorene Sonnenlichter
fielen durch das Laub uns zu Häupten und spielten tanzend
um zwei Gläser, die zum Prosit an einander klangen.
„Was wir lieben und was uns wieder liebt!" rief ich an-
stoßend meinem holden Gegenüber zu, unserer blondlockigen


Erzherzog Franz Karl von Oesterreich. Originalzeichnung. (S. 414.)

Juni 1865.
Wir saßen, eine kleine Gesellschaft von Schauspielern, nach
beendigter Probe um einen Tisch unter der schattigen Linden-
baumgruppe, die nahe vor dem Eingänge des Theaters steht.
Es war noch vor Mittagszeit. Wie angenehm rastete es sich

Ich schlage in zerstreutem Nachsinnen ein Buch auf, das
auf meinem Schreibtisch mir eben zu Händen liegt: Lingg's
Gedichte. Wieder treff' ich auf die Stelle, die sich von unge-
fähr fast so oft, als ich den Finger in dieß Buch thue, mir
in's Auge drängt: „Gesang der Blinden".
Ich habe diese tiefsinnig rührende Dichtung
wohl schon an die hundert Male gelesen
— und immer noch regt sie mit derselben
schmerzlichsüßen Gewalt mir das Innerste
meiner Seele auf.

„Horch', ovs tiefem Lebensabgrund,
Drin kein Lichtstrahl je hinabtaucht.
Sucht die Stimme frommer Blinden
Auszutönen
Nach dem Schönen,
Im Gesang ein Licht zu finden.

„Steigt vor ihrem Geist die Schöpfung
Als ein Tönemeteor auf.
Schmerzlich ringen sie nach Bildern,
Ihr Entzücken
Auszndrückcn,
Ewiges im Wort zu schildern.

Lichtlos sitzen sie beim Nachtmahl,
Wie die Schatten in der Grabnacht,
Keiner Lampe trautes Leuchten
Kann der Kranken
Nachtgedanken
Mit der Hoffnung Thau bcseuchken.
Niemals können sie sich selig,
Blick in Blick und liebend ansehn,
Nur im Hauch, nur im Berühren
Nahen süße
Seelengrüßc,
Wenn sic Hand an Hand sich führen."
Ich schließe, im Stuhl zurückgelehnt,
meine Augen, — und wie auf dem licht-
überglänzten Grunde einer Dunkelkammer
erscheint wieder Dein Bild lebendig vorm
Auge meiner Erinnerung, armer blinder
Freund! Deine Stimme hör' ich vernehm-
lich im Ohre wieder, — eine Stimme,
mild und verschleiert, wie Dein Auge,
wenn sie im Kreise der Freunde nur
unterhaltend mittönte; aber wenn sie zu
Hunderten athemloser Zuhörer sprach,
tiefdröhnend und klangvoll wie hehrer
Glockenton. Niemals hör' ich die Verse
dieses wunderbaren Klageliedes mehr mit
dein herzaufrührenden Ausdruck, so durch-
zittert vom Hauche eigenster Empfindung
sprechen, als wie sic von Deinen Lippen
schollen:

schönen Soubrette.
War ich auf ein knospendes Geheimniß gestoßen? Sie er-
röthete; das Glas bebte ihr an der lächelnden Lippe und die
Rose auf ihrer Brust brach auf, — ein Blatt löste sich vom
Kelch und fiel ihr in's Glas, als sie es niedersetzte.
„Waldmeister ist Dein Schatz, Marie,"
scherzte ich. „Das Rosenblatt bezeugt's,
dieß Blatt von Deinem Herzen, das ihm
zufliegt."
„O nein," sagte sie lächelnd. „Bei
Mondschein schwärme ich nicht."
„So ist's ein anderer schmucker Junge,
W... der nicht in Märchen spielt. — Laß uns
WN. die Gläser tauschen! Laß mich schwär-
men! Gib mir das Rosenblatt! Einen
Tropfen von Deinem Herzblut trink' ich
Dir zu, schöne Marie!"
Aber nicht Mondschein war's, — der
Helle, sonnige Tag lag uni uns her.
Wir sahen die Lust vor uns zittern in
seinem Glanze. Ein schillernder Schmetter-
ling flog über die Rabatten, wo Tulpen
und Hyazinthen mit weitgeöffneten Kelchen
standen, in der Flut des Lichtes sich
badend. Und Licht flutete auf den Blättern
der Orangenbäume, die in Kübeln zu
beiden Seiten der Terrasse hinabstanden;
Licht flutete um die zirkelrunden Schatten
der Rosenbäume, durch die Syringen-
sträuche und Gaisblattlauben; Licht flutete
und sprang in tausend farbigleuchtenden
Strahlen und Funken um die Wasser der
plätschernden Fontäne im Gartengrunde
am Fuß der letzten Terrasse. Wir hatten
von unserer beschatteten Höhe den freien
Blick hinunter.
Der Garten lag still und leer. Auf
dem Platz oben, wo das Büffet stand,
und sonst wohl des Vormittags einige
Gäste sich zu uns fanden, waren wir heute
die einzige Gesellschaft. Selbst unser regel-
mäßig täglicher Gast hatte einmal ver-
säumt —
Nein! Da war er doch! Eben wurde
ich zuerst seiner ansichtig, wie er in den
Rahmen der offenen Hausthür, die zum
Garten führte, trat. An der Hand eines
jungen Mädchens (sein Töchterchen war's)
tastete er mit dem Stock sich vorwärts,
die zwei Stufen in den Garten hinab,
und nun stieg er sichern, doch vorsichtigen
Schrittes, mit der gerade gereckten Halb-
steifen Haltung von Kopf und Körper,
wie sie dem Gange de-r Blinden eigen

Jllustr. Welt. XXVI. 17.
 
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