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vtt W «ms Kliiid.
Sportroman
von
Wilhelm Uener-AOr.
Zwölftes Kapitel. 5
<^Suf der Rennbahn ging
HW es währenddessen im-
mer noch aufs lebhaf-
teste zu. Beobachtend und
ihre Ansichten austauschend
standen gruppenweise die
Sportsmen vor den Tribünen,
ganz vorn in einem Kreise
von Herren der Oberstall-
meister, der die Pferde des
königlichen Reunstalls vorbei-
galoppieren ließ. Neben ihm
stand Brandes, neben diesem,
in weißen Gamaschen, der
allbekannte Herausgeber und
Chefredaktenr des „Sporn".
Wohl fünfzig Schritte von
ihnen e.ntfernt hatte C. W.
Kalm an der Barriere Posto
gefaßt. Er schielte beständig
nach Brandes und den großen
Herren, und während er so
allein dastand, von niemand
beachtet, überkam ihn das
Gefühl eines großen Mitleids
mit sich selbst.
„Wie bist du in der Welt
einsam und verlassen. Du
hast kein Weib, keine Kinder,
niemand kümmert sich um
dich."
Dann wechseltediese weiche
Empfindung unvermittelt mit
einem außerordentlichen
Zorne:
„Weshalb kommt dieser
Baron nicht wieder? Wie
kann mich dieser Mensch hier
allein lassen unter lauter
Fremden! Man macht sich
hier ja förmlich lächerlich!"
Am liebsten hätte er sich
heimlich fortgedrückt, nur
dachte er, würde sein Gehen
erst recht Aussehen machen.
So stand er geärgert und
verbissen, sah gelangweilt aus
die vorbeikommenden Pferde,
deren Manier zu galoppieren
ihm ganz gleichgültig war,
und verwünschte den Mai,
die Lerchen, die Pferde, die
Menschen und vor allen
Brandes.
Da erhob sich ringsumher
Jllustr. W-U. 18S8. 5.

Photographie-Berlag von Hanfstaengls Nachfolger in Berlur.


„Es Verner Akeitschi".
Nach dem Gemälde von Paul Spangenberg.

wieder ein Rufen, alle dräng-
ten vor an die Barrieren,
und selbst der Oberstall-
meister verlor etwas seine
stoische Ruhe. In weitaus-
greifenden Galoppsprüngen
zog ein prachtvoller Rappe
vorbei, zwanzig Längen hinter
ihm die Begleitpferde, die ver-
gebens sich mühten, in seinem
Fahrwasser zu bleiben.
Die Herren erhoben ihre
Krimstecher, um dem Pferde
nachzuschauen, dann gestiku-
lierten sie lebhaft und waren
in sichtlicher Erregung.
„Lächerlich," dachte C. W.,
„hier wird gethan, als ob
solch ein Mistvieh von Pferd
Wunder was bedeutet. Diese
ganzen Klepper und Schinder-
können mir gestohlen werden."
Erwippte gelangweilt auf
seinem rechten Fuße, lehnte
weit über die Barriere, be-
trachtete einen Käser, der im
Grase kroch, und wollte gerade
über die Bahn spucken, als
ihm jemand leicht auf den
Arm schlug.
„Ich gratuliere, Herr
Kalm."
Er sah auf und erschrak:
der Oberstallmeister stand vor
ihm, und hinter diesem der
Rittmeister von Carlotta, der
Baron von Goltern und andre
Herren. Irgendwo war C.W.
dem großen Oberstallmeister
einmal flüchtig vorgestellt, so
flüchtig, daß er nie recht
wußte, ob er den Grasen
grüßen sollte oder nicht.
Er war so verdutzt, er
wußte so absolut nicht, was
der Gras wollte, daß er keine
Antwort fand und mit offe-
nem Munde die Herren an-
starrte.
„Ja, haben Sie denn das
Pferd nicht gesehen?" sagte
der Oberstallmeister, an dem
jetzt die Reihe war, sich zu
wundern, „ich denke. Sie
können mehr als zufrieden
sein."
„Pferd? Welches Pferd ?"
Da ging ein Lächeln über
die Gesichter der Umstehen-
den, dann ein lautes, mun-
teres Lachen.
„Er hat ihn gar nicht er-
kannt! — Er hat das gar
nicht gesehen!"
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