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Der UM nms Glück.
Sportroman
voll
Wilhelm Weyer-Jörster.
Sechzehntes Kapitel. 7
cr^ourad und Käthchen hatten auch für diesen Morgen
einen Ausritt verabredet, aber das Gewitter,
das während des Abends und der Nacht drohend
über der Stadt hing, hatte sich in
einen seinen Regen aufgelöst, der auf die
jungen Blätter seit Stunden niederricselte.
Nun saßen sie am Frühstückstisch, und
Konrad wartete auf Brandes, der — mochte
er auch noch so spät nachts Heimkommen —
stets zeitig und pünktlich ausstand.
Es siel ihm immer noch schwer, Käthchen
mit dem ungewohnten „Du" anzureden, und
sie lachte über seine Schwerfälligkeit.
Er hatte ihr erzählt, daß ihr Vater
eventuell die Absicht habe, Berlin zu ver-
lassen und mit ihnen auf Reisen zu gehen,
nun schmiedeten sie ein Dutzend verschiedene
Pläne, ob nach Norden oder Süden, nach
Paris oder Petersburg, nach Italien oder
zum Nordkap.
Dann fiel es ihr Plötzlich ein, daß dieser
Abschied von Berlin sie von allen Freun-
dinnen trennen würde und — ja — von
dem Prinzen. Es blitzte in ihr auf wie
ein Verdacht: vielleicht wurde diese ganze
Reise nur in Scene gesetzt, um sie -— um
ihr — ja, um sie von ihm zu entfernen.
Sie maß Konrad mit einem scharfen
Blick, den er nicht verstand, dann sagte sie
kühl, fast kalt:
„Es ist sehr wohl möglich, daß ich keine
Lust habe, zu reisen, Papa wird mich nicht
zwingen."
Konrad begriff diesen Wechsel der Stim-
mung nicht, er wollte sie fragen, was das
bedeuten solle, da trat Brandes ins Zimmer.
Käthchen flog dem Vater entgegen -und
küßte ihn, Konrad trat heran und gab ihm
die Hand.
„Wollen wir von Berlin fort? Ist das
dein Ernst, Papa? Und für immer? Ist
das wahr?"
Er machte sich leise von ihr los:
„Ich weiß es noch nicht, es kann sein."
Sie wollte eine entschiedenere Antwort,
aber dann sah sie erschreckt sein blasses,
müdes Gesicht und fragte ängstlich:
„Fehlt dir etwas? Du bist krank, Papa."
Er schüttelte den Kopf: „Nein, nein.
Thu mir einen Gefallen, Käthchen, und
laß uns eine Viertelstunde allein, ich habe mit Konrad
allerlei zu besprechen."
Sie blickte ihn scheu, ängstlich an und ging.
Brandes trat an den Frühstückstisch und nahm
stehend eine Kleinigkeit zu sich. Er war tadellos ge-
kleidet wie immer, in dunkelm Gesellschaftsanzuge, eng-
lischem Kragen und schwarzer Krawatte. Von Unruhe
Jllustr. W-lt. 1898. 7.

und Erregung war in seiner Stimme nichts zu
merken.
„Du wirst die Güte haben, lieber Konrad, und zu
Goldschmidt fahren, er soll mir vor der Börse eine
Stunde reservieren. Sag ihm, ich hätte sehr viel Geld
nötig und wäre gezwungen, umgehend meine sämt-
lichen Mittel flüssig zu machen. Sag ihm, es handle
sich um sehr große Spielverluste, die rasch reguliert
werden mützten, und sag ihm, daß ich auf seine Hilfe
und Vermittlung bei der möglichst schnellen Realisierung
rechne."

Konrad nahm alle Kraft zusammen, um ruhig zu
bleiben.
„Soll ich sofort gehen?"
„Ja, sei so freundlich."
Als Konrad schon an der Thür war, rief Brandes
ihn noch einmal zurück:
„Nimm die Sache nicht tragisch, mein lieber Junge,

sie liegt nur so, daß cs mit den Tagen des Reichtums
vorbei ist. Es geht mir wie jemand, der auf einem
sehr hohen Turme stand und von Stockwerk zu Stock-
werk hinabfällt. Daß ich gestern nicht auf die blanke
Erde gekommen bin, ist wie ein Wunder, für das ich
aufrichtig dankbar bin."
Konrad kamen die Thrünen ins Auge, es fiel ihm
von der Brust wie ein Alp.
„Es bleibt für mich noch zweieAci," sagte Brandes.
„Ich hoffe noch so viel aus dem Schiffbruch zu retten,
daß wenigstens die Rennpferde nicht zur Auktion gestellt
werden müssen. Das würde wie bei allen
Auktionen ein miserables Geschäft sein und
mir den letzten Kredit nehmen. Was mir
aber noch bleibt," er erhob seine Stimme,
„das ist Abrechnung zu halten mit diesem
miserabeln Burschen, der mich ruiniert hat,
mit Seiner Durchlaucht dem Prinzen Ale-
xander Nikolaus von Reichenberg!" —
„Seine Durchlaucht, der Prinz von
Reichcnberg."
Ter Diener reichte Brandes die schmale
weiße Visitenkarte.
Da kochte Brandes ans:
„Also er wagt es! Herein mit dem
Herrn! Also er wagt es, mir unter die
Augen zu treten! Herein mit dem Herrn!
Vorwärts!"
Und zu Konrad gewendet:
„Du bleibst. Ich will Zeugen haben, wie
man diesen Burschen Anstand lehrt."
Ter Diener öffnete die Flügelthür, scheu
nach Brandes hinüberschaueud, scheu dem
Eintretenden entgegenblickend.
Zögernd blieb der Prinz einen Augen-
blick in der Thür stehen. Seine schmächtige
Figur in dem schwarzen Zivilanzuge er-
schien in dem Rahmen der Thürflügel unter
den hohen Portieren noch kleiner, unbedeu-
tender als sonst.
Tann that er einen Schritt vorwärts,
die Thür schloß sich, und lautlos fielen die
Teppiche zusammen.
Die Arme gekreuzt, staud Brandes in
der Mitte des Zimmers, ohne sich zu rühren.
Des Prinzen Blick haftete einen Moment auf
ihm, dann auf Konrad, der aus dem Fenster
schaute, daun trat er zwei Schritt auf
Brandes zu:
„Ich habe Sie um Verzeihung zu bitten,
Brandes."
„Wirklich?"
„Ich habe gehandelt wie ein Wahn-
sinniger, ich Ivar nicht bei klarer Besinnung.
Verzeihen Sie mir, Brandes."
„Konrad!"
Konrad trat vom Fenster fort^ in die
Mitte des Zimmers an Brandes Seite.
„Habe die Güte, Konrad, diesen Herrn da zu fragen,
ob er die Absicht hat, binnen gestern und drei Tagen
die Summe von 1630000 Mark mir oder meinem
Banquier zu zahlen."
Konrad fragte nicht. Beide Hände angstvoll erhebend,
war der Prinz einen Schritt näher getreten.
„Brandes, ich bin ruiniert. Haben Sie Mitleid."
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Reiche Ernte.
Nach einer photographischen Aufnahme von Clara Nowok, Malerin in Charlottenburg.
 
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