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Im Kuchenhof.

Eine oberösterreichische Erzählung

von
Kairny Kaltenhauser. 6
13.
MWnterdessen wandert der Pauli im Schnellschritt
AGs weiter, den Weg zurück, den er vorhin ge-
WA- kommen. Manchmal entfallen einzelne Worte
seinen Lippen. Er ärgert sich, daß er einen so weiten
Weg gethan — umsonst. Die lumpigen paar Gulden, die
er nun in der Tasche hat! Schämen sollte er sich, der
Buchenhofer, daß er einem einstigen Gehilfen, der ihm so
treulich beigestandeu, nicht mehr vergönnt! Wie nun,
wenn auch der, zu dem er jetzt hin will, sich nicht
herbeiläßt, etwas Hübsches zu zahlen? Wenn dem-
selben die Thatsache mit dem Brief kein böses Blut
macht, sondern ihm jetzt ein Ding ist? Er soll ja ein
reicher, angesehener Bauer geworden sein, derselbige,
hat es also gut und richtig getroffen; eine tüchtig
lange Zeit ist auch vergangen seit dazumal, der Lenz
ist nicht mehr jung geblieben und hat wohl die eine,
die ihm dazumal im Kopf und Herzen lag, vergessen.
Es mag ihm daher nichts daran liegen, daß es un-
richtig zugegangen mit dem bewußten Brief. Leicht
möglich bekommt der Mann bloß eine kleine Zornes-
aufwallung über ihn, der ihn betrogen und ihm nun
dummerweise in die Hände lief; und dann wird er,
anstatt belohnt, einfach zum Haus herausgeworfen.
lieber dem Gedanken bleibt der Pauli Plötzlich
stehen. Ein Fluch entfährt seinen Lippen. Lange
schon hätte er kommen sollen und versuchen, von des
Buchenhofers Ernte etwas einzuheimsen; damals, da
der Mann noch jung gewesen und ihm an seinem
Weib noch gelegen war. Ein paar Jahre nach der
Heirat, wenn er gekommen wäre, da wäre vielleicht
für ihn etwas ausgefallen. Aber da dachte er nicht
daran. Im Anfang hatte er sich mit dem erhaltenen
Gelde gütlich gethan, und er hatte eine Weile genug
gehabt damit; dann verlockte ihn sein angeborener
Hang zum Diebstahl, und er kam aus ein Paar Jahre
in jenen Ort, den er bereits liebgewonnen von einem
früheren Aufenthalt — ins Zuchthaus; nicht zu seinem
Schaden, indes zu jenem andrer, denn er lernte hier
mancherlei zu, da andre eben im Ruhestand befindliche
Genossen seines Metiers ihn aus Langeweile oder Gut-
mütigkeit oder Stolz mit „netten Kunstgriffen" ver-
traut machten, so daß er dann längere-Zeit hindurch,
nachdem er wieder süße Freiheit kostete, seinen Mit-
menschen die vollen Beutel oder gefüllten Kasten etwas
leerer machte, ohne daß man seiner sobald habhaft
werden konnte. Als er wieder jenen „durch seiner
Hände Fertigkeit" erworbenen Sitz innehatte, da
faßte er einmal den Vorsatz, wenn er wieder freie
Verfügung über sein eignes „Ich" erlangt haben
würde, gleich zu versuchen, ob ihm das papierene Ueber-
bleibsel aus längstvergangenen Tagen nicht noch etwas
cinbringen könne. Aber er kam nicht so weit, diesen
Vorsatz auszusühren. Ihn lockte wieder das Zunächst-
liegende viel mehr wie das Fernschwebende — es hatte
ihn zuletzt sein Gelüste fünf volle Jahre gekostet —
wegen Gewohnheitsdiebstahl. Und nun, wo er seinen
langgehegten Plan endlich zur Ausführung gebracht
hatte und hierher gewandert war, nun schien es zu
-ILustr. Well. I8S8. 2S.

Oop^rixLt 1893 Oves s. ^ork.


Sommernachmittag. Nach dem Gemälde von Georg Ritter
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