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Seine Gemahlin.
Erzählung aus dem vorigen Jahrhundert
von
K. von Krause (K. von Kellen).
war etwa um die Mitte des vorigen Jahr-
Hunderts und ein heißer Tag im Monat Juni.
Langsam bewegten sich die schweren Reise-
karossen durch den mahlenden Sand der Land-
straße. Die Sonne brannte aus das Verdeck, und ob-
gleich die Glasscheiben heruntergelassen waren, glühte
das Gesicht der Prinzessin Adelaide vor Hitze, und das
kleidete sie gut. Wenigstens sand es der Oberkammer-
herr, der ihr gegenübersaß und dessen Blicke an dem
zarten Antlitz mit den sammetbraunen Augen hingen,
als wollten sie nie mehr etwas andres in der Welt
beobachten. Die Oberhofmeisterin, Gräfin Heidenstein,
schlief, sie saß links neben der Prinzessin, und ihre
enorme Frisur schwankte bei jedem Stoß, den die
Kutsche bekam, hin und her, als wolle sie vom Kops

fallen, und der Puder rieselte auf das dunkle Reise-
habit der würdigen Dame herab. Prinzessin Adelaide
sah aber weder die verliebten Blicke des Kammerherrn,
noch die sonderbare Gestalt der schlafenden Dame, sie
war ganz in ihre eignen Gedanken versunken. Sie
konnte auch mit gutem Recht zu denken haben, denn
sie befand sich auf ihrer Brautsahrt. Vor vier Tagen
war sie dem Oberkammerherrn in Vertretung oder
Prokuration angetraut, und nun ging es der neuen
Heimat in ziemlich langen Tagereisen zu. Es mußten
angenehme Gedanken sein, denen sich Prinzessin Adelaide
hingab. Angenehme, sanfte Gedanken drückte ihr nicht
regelmäßiges, aber sehr ansprechendes Gesicht aus.
Sie dachte, daß ihr bisher sehr trauriges Dasein nun
an einen Wendepunkt gekommen sei, der ihr eine ganz
neue, hoffnungsvolle Aussicht eröffne. Ein harter,
tyrannischer Vater und eine thörichte, sehr eitle Mutter
hatten, in sehr kleine Hofverhältnisse gebannt, das
Kindheitsleben und die erste Jugend dieser überaus
zarten und feinfühlenden Seele qualvoll eingeengt und
bedrückt. Sie war aber, wie edle Naturen Pflegen,
nicht erstickt, sondern gereift in dieser harten Schule.

Nach innen waren die Kräfte geströmt, die sich nach
außen nicht entfalten durften. Hatte sie keinen Men-
schen gehabt, dem sie ihr Leid klagen durfte, so hatte
sie es ihrem Gott geklagt, und darum war es in Segen
gewandelt worden. Nun aber schienen die schweren
Lehrjahre beendet. Freilich hatte sie den Gatten nie
gesehen. Sie kam aus Süddeutschland, er regierte ein
nördliches Ländchen der damals so bunten deutschen
Landkarte. Kriegsgefahren ließen nicht zu, daß er die
Weite Reise zu ihr unternahm, der Oberkammerherr
von Holm ward mit der Werbung und dann mit der
Vertretung des Fürsten bei der Trauung beauftragt.
Das Bild des letzteren trug Prinzeß Adelaide, in ein
kostbares Armband gefaßt, bei sich, sie hatte eben den
Deckel geöffnet und betrachtete es heimlich, denn der
Arm, an dem es befestigt war, rnhte in den Spitzen
ihres leichten Umhangs auf ihrem Schoß. Fürst Karl
Heinrich war, nach dem Miniaturbildchen zu schließen,
ein schöner Mann. Er blickte lebhaft und energisch
aus scharfen, blauen Augen, um seinen sein geschnit-
tenen Mund lag ein etwas spöttischer Zug, und die
i ganze Haltung des Kopfes verriet den selbstbewußten


Jllustr. Welt. I8S8 27.

Tie neue Kornhausbrücke in Bern.

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