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Der Friesenpastor.
Kriminalroman
von
Dietrich FHeden.
Achtes Kapitel.
>^M^ie nur wenige hundert Köpfe starke
Kirchengemeinde Holby hätte in
r'A»// keiner andern Persönlichkeit so em-
pfindlich getroffen werden können
wie in ihrem Seelsorger. Johannsen war
für seine Gemeinde das Prototyp des Geist-
lichen und des wahrhaft tadellosen Menschen;
sein Verhältnis zur Gemeinde hatte fast
etwas wie das eines Fürsten zu seinem Lande.
Jedermann, der reiche Bauer und der arme
Handwerker oder Arbeiter, ehrte in ihm den
berufenen und anerkannten Führer. Aber
sein Verkehr mit seiner Umgebung wies keine
Spur von den Ansprüchen und Launen der
Fürstenherrlichkeit. Er sonnte sich nicht in
der ihm entgegengebrachten Huldigung, und
sein Wohlwollen war kein herablassendes und
kein gnädiges, sondern eine aus lauterstem
Herzen quellende, selbstlose Güte. Seine
Frömmigkeit war echt; aber mehr als fromme
Sprüche wirkten die schlicht menschlichen Be-
kundungen seiner inneren Anteilnahme und die
Freudigkeit, mit der er, wenn er helfen durfte,
rasch und bedingungslos seinen Rat in die
That umsetzte.
Und gegen diesen Mann war etwas im
Werke, was die Gemeinde beunruhigte. Mark-
Ward, Hansen und Sörensen waren von dem
Amtsrichter in Tondern geheimnisvoll über
das nächtliche Graben des Pastors in seinem
Garten vernommen worden, als Hütte er
einen Schatz dort verborgen, an dem die Sünde
haftete. An den Bauern Ingwers war die
Frage gestellt worden, ob der Pastor den ver-
schollenen Peter Skagen mit einem Spaten
mißhandelt und zu ihm, seinem alten Freunde,
selbst von einer solchen Thatsache gesprochen
habe. Der Gemeindevorsteher von Holby und
der in einem größeren Nachbarorte wohn-
hafte Amtsvorsteher waren über den Leumund
des Pastors befragt worden, ja selbst der
alte Propst Emker in Tondern sollte von dem
Amtsrichter vorgeladen und über dasselbe
Thema gehört worden sein. Niemand faßte,
was vorging, aber jeder fühlte, daß ein Un-
heil in der Luft hing.
Johannsen hatte alltäglich hierhin oder
dorthin einen Gang unternommen; jetzt hielt
er sich seit Wochen zu Haus. Er schritt Sonn-
tags so feierlich zur Kirche wie sonst, und
seine Predigt klang, wie die Gemeinde es
gewöhnt war; aber auch ihn selbst drückte
erkennbar eine neue, fremde Sorge.
Die Erregung in der Gemeinde mehrte
sich, als bestimmte Anzeichen auf immer
größere Kreise ziehende Umtriebe gegen den
Ällustr. W-U. I8S8. 13



Wintersorgen.
Nach dem Gemälde von A. Müller-Lingke.

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