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Der Lriesenpastor.
Kriminalroman
von
Dietrich Weden. 9
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Bahnhof in Tondern war in aller Eile
bekränzt worden. Das bevorstehende Weih-
nachtsfest hatte Wagenladungen von Tannen
nach Tondern veranlaßt, und die Bäume
sanden auch zu einem Willkommen für den heim-
kehrenden Geistlichen Absatz. Viele der angesehensten
Bürger der Stadt flaggten. Auf dem Perron, in
den Wartezimmern, in den Gängen des Stations-
gebäudes und vor dem Bahnhof herrschte ein Treiben,
als gelte es, einen Fürsten zu empfangen.
„Er kommt! Er kommt!" tönten halblaute Rufe,
als im Abenddunkel die feurigen Augen der Lokomotive
fern in Sicht kamen. Dann trat tiefes, erwartungs-
volles Schweigen ein.
Niels Johannsen hielt auf der kurzen Fahrt sein
Kind umfangen, und während Helge dem Vater und
dem Verlobten innig und glücklich zulächelte, murmelte
der Erlöste immer wieder leise vor sich hin: „Heim-
wärts! Heimwärts!" und stellte immer neue Fragen
nach Holby, nach Duwe Axen, nach Ingwers, nach
dem Schmiede, nach Nissen, Sörensen, Fran Owe —
nach allen Freunden und allen Gliedern der Gemeinde.
Ernst Dürhus gab Antwort auf alle Fragen, und der
Pastor lächelte und sann vor sich hin und begann
immer von neuem. Sein ganzes Denken wurzelte
wieder daheim, bei den Seinen, bei den Pflichten,
Sorgen, Freuden seines Amtes, und ein hehres Ge-
loben schwellte ihm die Brust.
Die Menschenmenge ans dem Bahnhof in Tondern
bewahrte bei der Einfahrt des Zuges ihr Schweigen,
bis sie das Coupe des Geistlichen entdeckt hatte. Ein
brausender Jubel aber umfing ihn, als Johannsen,
die dargebotene Hand des jungen Anwalts ablehnend,
dem Wagen entstieg und hochausgerichtet, wie in alten
Tagen, entblößten Hauptes nickte und grüßte. „Hurra
Johannsen!" scholl es wirr. „Hoch Dürhns! Hoch
die Braut! Willkommen, tausendmal willkommen!"
Helge stürzten die Thränen über die Wangen, als
sie die festliche Ausschmückung des Perrons gewahrte,
und Johannsen verharrte sekundenlang andächtig vor
der umkränzten Inschrift über dem Ausgang: '„Gotl
segne dich allerwegen!" Sein Blick umflorte sich doch,
und er mußte die Hand über die Augen führen, die
verschleiernden Thränen zu zerdrücken.
Der Stationsvorsteher und einige andre Bahn-
beamte gingen vor dem Pastor her und suchten ihm
den Weg zu bahnen Sie mußten, um zu dem harren-
den Wagen zu gelangen, die Menge mit sanfter Ge-
walt zurückdrängen. Der Wagen war von dem Land-
rat geschickt worden. Er nahm den Pastor, die junge
Braut und die Eltern Dürhus' auf, während der An-
walt zu Fuß nach der kaum eine Viertelstunde ent-
fernten Wohnung vorauseilte. Wo das Gefährt in
Sicht kam, drängten die Leute aus den Häusern und
erneuerten die freudig laute Begrüßung.
Der Landrat, der Apotheker, die Geistlichen von
Illustr. Welt. 1898. 19.


Richard Zoozmann.

Dann wird hell und heiter wieder
Ueber Deutschlands dunkle Gauen
Aus dem Wolkenfenster nieder
freiheitlich die Sonne schauen!
Frühling, mach die Saaten reifen,
Die gesät die Eltern haben,
Daß wir froh die Früchte greifen
Und mit Stolz uns ihrer laben!

pflegst du nun zu ordnen
DA- In dem Weltenbaugeschäste,
Und ins Berz der Mattgcwordnen
Giebst du, Frühling, neue Kräfte.
Bängst an jedes Bäumchen wieder
Junger Blätter seidne Franzen,
Lehrst den Bogel alte Lieder,
Machst im Wind die Wolken tanzen.
pflanz ins lserz dem deutschen Manne
Seiner Ahnen großes Fühlen:
All sein Fürchten brich und banne,
Laß hinweg den Kleinmut spülen.
Laß ihn wachsen gleich den Lichen,
Die nicht Sturm noch Schloßen scheuen,
Die, wenn Wetter sie umstreichen.
Sich des wilden Aufruhrs freuen!
Mach die engen Seelen weiter,
Daß sie aus dem Bann sich heben,
Mach sie gläubig, fest und heiter,
Mb sie Not und Tod umgeben:
Daß der Lenz nicht bloß dem Walde,
Nein! der Menschheit auch erscheine,
Daß vom Meer zur Bergeshalde
Line einzige Gemeine!
Nach des Winters schweren Tagen
Mach die dumpfen Aeugste schwinden,
Laß die Berzen höher schlagen,
Sich zurück zur Größe finden.
Niedrigkeit und Beucheiwesen,
Die sich aufblähn, mach zu Schanden,
Fege mit des Sturmwinds Besen
Alles Unkraut aus den Landen.
 
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