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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Pütz, Friedrich: Die Überschätzung des Zeichnens: ein Beitrag zur Frage der künstlerischen Berufsberatung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0215

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INNEN-DEKORATION

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falsche Einschätzung von Sonderfähigkeiten, von Talenten.
— Hierher gehört in erster Linie die falsche
Bewertung, die Uberschätzung der zeich-
nerischen Begabung. Eine Überschätzung insofern,
als eine vielfache Meinung darin eine Anwartschaft auf
einen künstlerischen Beruf erblickt.

Das Wesen aller künstlerischen Tätigkeit beruht in
einer, wohl entwicklungsfähigen, aber eingeborenen schöp-
ferischen Kraft, die wie einem Zwang gehorchend, ein
inneres Sein, Erleben und Schaffen sinnlich gestalten will.
In der aus dem Ureigenen quellenden Produktivität liegt
der Adel aller wahrhaft künstlerischen Arbeit.

Zeichnerische Begabung, wohl eine der häufigsten
Sonderfähigkeiten, ist in den meisten Fällen nur ein
reproduktives Vermögen. Eine optische Intelligenz, die
Plastisches in Lineares zu übertragen vermag. Gesellt

sich dazu eine feinfühlige Erlebniskraft und geschmack-
liche Kultur, so kann wohl ein rezeptives Künstlertum
entstehen. Aber ein produktives Vermögen braucht
damit durchaus nicht verbunden zu sein. Eine innere
Fülle der Gesichte, aus der das Schöpferische fließt, ist
damit noch nicht gegeben. Die künstlerische Produktivität
ist natürlich nicht als eine Steigerung, als letzte Folge
zeichnerischer Begabung aufzufassen. Sie ruht rein in
der Persönlichkeit und kann auch bei mangelhaftem Re-
produktionsvermögen auftreten. Dann bleibt der Kampf
um die technische Bewältigung der Form nicht aus. Den
Gegensatz dazu bildet das zeichnerische Virtuosentum,
durch dessen virtuosenhafte Fertigkeit die innere Leere
in ein um so helleres Licht gestellt wird.

Für das künstlerische Schaffen ist die zeichnerische
Begabung keine psychologische, sondern nur eine tech-

ENTWURF: ARCHITEKT EDUARD PFEIFFER-BERLIN. TOILETTENTISCH ROTLACKIERT MIT SILBERBFSCHLAGEN
 
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