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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Das Heim des Feldgrauen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0278

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258

INNEN-DEKORATION

ARCH. KARL PULLICH-STUTTGART

SAiL EINES OFFIZIERS-KASINOS

DAS HEIM DES FELDGRAUEN

Geehrte Schriftleitung der »Innen-Dekoration«! Ihr
Mitarbeiter fährt nun wieder in die Steppe zurück.
Nicht gerade gerne und auch nicht die Brust von Kampfes-
wut geschwellt. Wir alle, die wir wieder hinausziehen,
tun ja nur mehr unsere Pflicht. Wir können uns nicht
verhehlen, was unser wartet, ist schwer, oft widerwärtig,
häßlich. Grenzenlose Ode wird abwechseln mit Schrecken
und Qualen, für die die Worte fehlen. Trotzdem: Wir
gehen ohne Rausch, klaren, harten Auges der Nacht ent-
gegen. — Aber ich schreibe Ihnen nicht, um von diesen
kaum mehr neuen Empfindungen Nachricht zu geben.
Das hat jeder mit sich selbst auszumachen, und mit den
Fragen der Wohnungskunst hängt es ganz und gar nicht
zusammen. Ich möchte nur rasch eine merkwürdige Be-
obachtung notieren und beschreiben, die ich in diesen
Tagen gemacht habe und die mir allerdings sehr in den
Rahmen dieser Zeitschrift zu fallen scheint. Ich weiß
nicht, ob von andern schon darauf hingewiesen worden
ist, mir war der Eindruck jedenfalls etwas Neues.

Ich meine die Freude des Wiedersehens mit all den
vertrauten, ehemals vertrauten Dingen unseres Heims,
nein, des deutschen Hauses überhaupt. Mit Worten läßt
es sich schwer beschreiben, wie das Auge glücklich ist,
die häuslichen Gegenstände, mit denen und in denen es
gelebt, wieder zu erkennen. Es ist nicht die Freude über
das wohlbestallte Heim, über die langentbehrten Genüsse
und Bequemlichkeiten! Nein, nur daß man mit all diesen
hölzernen und stofflichen Dingen und Geräten im Lauf
der Jahre förmlich zusammengewachsen ist, kommt einem

jetzt, im Moment des Wiedersehens, erst so recht zum
Bewußtsein. Ich freue mich über das Licht des Wohn-
zimmers, über die besondere Beleuchtung des Schlaf-
zimmers. Man sagt, der Soldat ist glücklich, wieder in
einem weichen, warmen Bett schlafen zu können. Nein,
schon das Wiedersehen, das Wiederfinden mit diesem
Freund rührt ihn in seinem Innersten. Man hört wieder
die Wanduhr ticken, die schönste Musik könnte dem Ohr
nicht so schmeicheln und wohltun, wie dieses holde Ge-
räusch, das uns die Stunden, die es begleitete, wie mit
einem Zauberschlag wieder aufweckt, uns selbst wieder-
finden läßt. Die Wände umschließen mich wieder, wie
sie während der langen Jahre mein häusliches Leben um-
schlossen, geformt, determiniert haben. Das ist doch
mehr als die »Macht der Gewohnheit«! Ich erkenne, die
Räume sind mit mir, meiner Denk- und Empfindungs-
weise verschmolzen gewesen, und da ich sie wieder um
mich fühle, ist meine Seele glücklich, weil sie ihren
Rhythmus und ihren Halt wieder gefunden hat. Ich liebe
auf einmal den Hall der Schritte im Zimmer, ich kenne
meine Stimme wieder, da sie von diesen Wänden modu-
liert wird. Selbst die Entfernungen, diese kleinen, mensch-
lichen Entfernungen — zum Fenster, zur Tür, zum Sofa
— einen Moment erschienen sie mir lächerlich, miniatur-
haft, aber mein Körper dementiert mich rasch, er hat das
Maß der alten Bewegungen wiedergefunden — und wie
ist er glücklich darüber!

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, heißt es. Das
Wort Gewohnheit hat doch einen viel, viel tieferen Sinn!
 
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