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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 41.1930

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Osborn, Max: Ein Landhaus von Michael Rachlis
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https://doi.org/10.11588/diglit.10703#0159

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XLl. 1AHRG.

DAKMSTADT

APRIL 1930

EIN LANDHAUS VON MICHAEL RACHLIS

HAUS GEN.-DIR. ZISSU IN BERLIN—GRUNEWALD

Wie unterscheidet sich Luxus von Einfachheit
und Bescheidenheit? Die Antwort auf diese
Architektur-Frage hätte früher gelautet: Durch
den Reichtum der Formen, den üppig quellen-
den Schmuck, der das in der Wohnung zum
Gebrauch Bestimmte zum Ausdruck gehobener
Lebenshaltung umzaubert. Heute lautet sie: Durch
die Pracht und Kostbarkeit des verwendeten
Materials. . Die Formen, Linien, Umrisse bleiben
hier und dort annähernd die gleichen. Die Gestal-
tung der Räume, der Wände, der Möbel, der
sonstigen Einzelheiten ändert sich grundsätzlich
nicht. Klarheit der konstruktiven Durchbildung,
unromantische Zweckgemäßheit, ruhige Neutra-
lität gelten in jedem Falle als Gesetz. Seinem
Wesen nach unterscheidet sich der Schreibtisch
des Generaldirektors nicht von dem des letzten
Buchhalters. Aber aus welchem Holz sind sie
gemacht, aus welchem Stoff sind Platte und Be-
schläge? Da sitzt die Differenz, die nun freilich
gewaltiges Ausmaß annehmen kann. . Die neue
»Villa Zissu« des Baumeisters Michael Rach-
lis, im Grunewald bei Berlin erbaut, von der hier
Bericht gegeben wird, ist ein Schulbeispiel für
diese moderne Wahrheit. Sieht man den Bau von

außen, wirft man von ungefähr einen flüchtigen
Blick ins Innere, so ist man versucht zu glauben,
das könnte auch ein Haus für Bewohner von ge-
haltenen Ansprüchen sein. Doch dann entdeckt
das Auge mit steigendem Respekt den stillen
Glanz, den stolzen Schimmer, die von innen leuch-
tende Gediegenheit der Materialien, die dem Gan-
zen wie jedem Detail ihren Stempel geben, die
sorgsame, bis ins letzte berechnete Abstimmung
der farbigen Werte, die Präzision und Solidität
der technischen Arbeit, und man weiß, was die
Glocke geschlagen. . Rachlis hat sich seit Jahren
als eine der glücklichsten Begabungen bewährt,
denen es gegeben ist, die Elemente der neuen
Baukunst und Inneneinrichtung eine verfeinerte
Sprache reden zu lassen, sachliche Unsentimenta-
lität mit zärtlicher Hand in eine Sphäre zu gelei-
ten, wo Behagen und Vornehmheit sie gütig in die
Arme nehmen. Das war und ist noch heute ein
großes Problem; denn Architektur und Wohnungs-
kunst, die einst auf den obersten Sprossen der
sozialen Stufenleiter ihre Entwicklung nahmen,
haben in unseren Zeitläuften den entgegengesetz-
ten Ausgangspunkt, den umgekehrten Verbrei-
tungs- und Wandlungsweg eingeschlagen. Zu den

1930. IV. 1.
 
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