INNEN-DEKORATION
19
HALBKREISFÖRMIGE EINGANGSHALLE GRAVIERTE GLASMALEREI: INGRAND
EINE ARCHITEKTENWOHNUNG
INNENRAUME VON MARC DU PLANTIER
Einem Architekten, der etwas übertriebene Be-
griffe von Neuer Sachlichkeit im Innenraum
hatte, hielt ein Freund entgegen: »Täuschen Sie sich
nicht, der Mensch ist ein Warmblüter, er wird auf
die Dauer auch in seinen Wohnräumen die Wärme
der Formen, die Wärme der Farben und der Mate-
rialwirkung nicht entbehren wollen!«
Die Entwicklung des modernen Innenraums hat,
bei aller Weiterverfolgung der »sachlichen« Linie,
diesem Bedürfnis nach Wärme unzweifelhaft Rech-
nung getragen. Das nüchterne Zweckdenken hat ge-
lernt, sich innerhalb der Wohnung auf ein schma-
leres Feld zu beschränken und dem Trieb zu freierer,
spielender Entfaltung der Formkräfte Raum zu
geben. In der Bemessung dieses Raumes machen
sich dann freilich nationale Geschmacksunter-
schiede bemerkbar. Wie groß sie sein können, er-
gibt sich, wenn man deutschen Raumausstattungen
(wie sie etwa in diesem Hefte der »Innen-Dekoration«
von Bruno Paul vorliegen) die Wohnung des Pariser
Architekten Marc du Plantier entgegenhält. Man wird
in der französischen Arbeit den Spieltrieb Wege
gehen sehen, die sich eine deutsche Raumausstat-
tung verbieten würde, aber zugleich ist das Ergebnis
so überzeugend, daß der künstlerische Wert der Ar-
beit außer Zweifel steht. Das Phantastische wird
nicht geflohen, selbst das Bizarre meldet sich zum
Wort in einer Weise, die dem deutschen Schmuck-
Bedürfnis sicherlich zu gewagt erscheinen würde,
aber immer biegt die Linie dieser Phantasie ins An-
mutige, ins Träumerische ein. Die Suche nach rein
ästhetischen Reizen stößt bei Marc du Plantier
manchmal weit vor und läßt die Formungs-Grund-
lage des Gebrauchszweckes völlig hinter sich. Aber
von anderer Seite machen sich Maß und Zucht
überall geltend, angefangen von den meist strengen
modernen Möbelformen bis zu den klaren Linien
antiker Plastik und Keramik, denen diese Wohn-
räume Rahmen und Umwelt sein wollen. Ja, viel-
leicht sind es diese edlen »Fremdbestandteile« aus
Marmor, Metall und Ton, diese erlauchten Aussen-
dungen aus einer ehemals lebendigen und bis ins
1934. I. 3
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HALBKREISFÖRMIGE EINGANGSHALLE GRAVIERTE GLASMALEREI: INGRAND
EINE ARCHITEKTENWOHNUNG
INNENRAUME VON MARC DU PLANTIER
Einem Architekten, der etwas übertriebene Be-
griffe von Neuer Sachlichkeit im Innenraum
hatte, hielt ein Freund entgegen: »Täuschen Sie sich
nicht, der Mensch ist ein Warmblüter, er wird auf
die Dauer auch in seinen Wohnräumen die Wärme
der Formen, die Wärme der Farben und der Mate-
rialwirkung nicht entbehren wollen!«
Die Entwicklung des modernen Innenraums hat,
bei aller Weiterverfolgung der »sachlichen« Linie,
diesem Bedürfnis nach Wärme unzweifelhaft Rech-
nung getragen. Das nüchterne Zweckdenken hat ge-
lernt, sich innerhalb der Wohnung auf ein schma-
leres Feld zu beschränken und dem Trieb zu freierer,
spielender Entfaltung der Formkräfte Raum zu
geben. In der Bemessung dieses Raumes machen
sich dann freilich nationale Geschmacksunter-
schiede bemerkbar. Wie groß sie sein können, er-
gibt sich, wenn man deutschen Raumausstattungen
(wie sie etwa in diesem Hefte der »Innen-Dekoration«
von Bruno Paul vorliegen) die Wohnung des Pariser
Architekten Marc du Plantier entgegenhält. Man wird
in der französischen Arbeit den Spieltrieb Wege
gehen sehen, die sich eine deutsche Raumausstat-
tung verbieten würde, aber zugleich ist das Ergebnis
so überzeugend, daß der künstlerische Wert der Ar-
beit außer Zweifel steht. Das Phantastische wird
nicht geflohen, selbst das Bizarre meldet sich zum
Wort in einer Weise, die dem deutschen Schmuck-
Bedürfnis sicherlich zu gewagt erscheinen würde,
aber immer biegt die Linie dieser Phantasie ins An-
mutige, ins Träumerische ein. Die Suche nach rein
ästhetischen Reizen stößt bei Marc du Plantier
manchmal weit vor und läßt die Formungs-Grund-
lage des Gebrauchszweckes völlig hinter sich. Aber
von anderer Seite machen sich Maß und Zucht
überall geltend, angefangen von den meist strengen
modernen Möbelformen bis zu den klaren Linien
antiker Plastik und Keramik, denen diese Wohn-
räume Rahmen und Umwelt sein wollen. Ja, viel-
leicht sind es diese edlen »Fremdbestandteile« aus
Marmor, Metall und Ton, diese erlauchten Aussen-
dungen aus einer ehemals lebendigen und bis ins
1934. I. 3