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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Born, Wolfgang: Poesie der Exaktheit: Betrachtungen zu einer neuen Wohnung von Prof. Ernst Lichtblau in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0063

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INNEN-DEKORATION

49

büffet im nebensteh. speisezimmer

palisander, marmor im fussboden

Möglichkeit, rhythmische Teilungen durch Rahmun-
gen und Scherwände einzuschalten.

Man sieht, ästhetische Werte haben den Vorrang
bei der Konzeption, und man ahnt auch bereits aus
diesen Andeutungen, wie sehr diese ästhetischen
Werte künstlerisches Eigentum Ernst Lichtblaus sind.
Lichtblau ist originell - aber diese Originalität ist nie
gewollt, sondern aus einem Leben gesammelter Ar-
beit organisch gewachsen. Was er von den beiden
Wiener Meistern der älteren Generation gelernt hat,
ist längst aufgesaugt und zu etwas Neuem geworden.

Worin besteht nun dieses Neue, Eigene Ernst Licht-
blaus ? Es ist — um es auf eine Formel zu bringen —
die Poesie der Exaktheit.

Wenn der Architekt glatte Flächen spiegelnder Höl-
zer, wenn er mit Vorliebe Glas und Metall in Formen
von technischer Prägnanz verwendet, so liegt darin
zwar scheinbar eine Übereinstimmung mit konstruk-
tivistischen Tendenzen, in Wahrheit aber betrifft diese
Übereinstimmung nur die Sprache des Zeitstils, die
jeder gesunde Künstler spricht, und sie trifft nicht
den Kern der Sache. Denn wie Ernst Lichtblau diese
Formenwelt behandelt - das legitimiert ihn als einen
Raumgestalter von durchaus unmechanischer, ja be-

tont formschöpferischer Richtung. Lichtblau schafft
den Menschen, für die er baut, einen Lebensraum, in
dem alles beseelt ist. Die stummen Dinge antworten
dem Bewohner. Der Blick, der über köstliche Stoffe
und Hölzer in die Raumtiefe gleitet, empfängt überall
gleichzeitig Reiz und Stillung. Das Gefühl, das sich
in die klare Stereometrie der kristallenen Raumge-
bilde versenkt, findet Erregung und Ruhe. Sinnvoll
ist der Komfort in das Wohnsystem eingebaut - das
Technische wird behutsam seiner Härten entkleidet
und auf seine künstlerischen Möglichkeiten hin ge-
prüft. So ergeben sich Wirkungen, wie in dem Bade-
zimmer (Abb. S. 47), bei dem die Wandverkleidung
aus blauem opaken Glas sich mit dem durchsich-
tigen Glas der Bade- und Duschnische und den ver-
chromten Metallteilen zu einem Eindruck von kluger
Eleganz verbündet. Man könnte die Beispiele beliebig
erweitern. Der Reichtum an schönen Sichten ist über-
raschend. Nie aber wird die innere Einheit von der
Vielfalt der Wirkungen überwuchert. Ein Geschmack
von unüberbietbarer Feinheit, ein unfehlbares Finger-
spitzengefühl für Farbe und Form sind am Werke,
die rationalen Voraussetzungen der neuen Wohn-
kultur ästhetisch durchzubilden. — Dr. wolfgang born
 
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