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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Michel, Wilhelm: Lob der Gartenterasse
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0185

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INNEN-DEKORATION 169

D1PL.-ING. HANS P. SCHMOHL— STUTTGART

Foto : La

»SITZPLATZ ÜBER DER GARAGE« HAUS K.

LOB DER GARTENTERRASSE

Das Haus fühlt in die Natur hinaus - das ist der
Sinn der Gartenterrasse. Es ist die lindeste, die
sanfteste Begegnung zwischen Architektur und Land-
schaft. Denn Garten, nicht wahr, ist ja nicht freie
Natur, sondern stilisierte Natur. Und die Terrasse
ist ihrerseits nicht mehr ganz Architektur, sondern
sie will schon ein bißchen Erdboden sein mit ihrem
unregelmäßigen Plattenbelag, sie stellt sich unter die
Gnaden des flutenden Himmelblaus, sie rechnet mit
Sonne und Regen und Wind, und sie umzieht sich ver-
gnüglich mit einem Geländer aus bunten Blumen.

Die Gartenterrasse hat ihre beste Zeit im frühen
Jahr, wenn eben die winterliche Haft des Menschen
sich löst und die große Umkehr seiner Haltung ein-
tritt aus dem Wohnen in künstlicher Wärme und
künstlichem Licht ins herrliche, mächtige Hinaus!
Im Rasen hinterm Haus rinden die ersten Blumen-
gesellschaften im Freien statt, Schneeglöckchen brei-
tet den winzigen vierflügeligen Schirm aus, Krokus
flackert auf in niedlichen Goldflämmchen, Blaublüm-
chen tun sich auf - aber zum Sitzen draußen ist der
Boden noch zu kalt, zu feucht, der Wind noch zu ~
ungebärdig. Da bietet die Gartenterrasse ihre Dienste

an. Die leichten weißen Stühle wandern hinaus, ein
Kissen ist rasch daraufgelegt, der wunderbare, fast
feierliche Augenblick ist gekommen, wo zum ersten-
mal wieder Frische der Luft und Sonnenwärme auf
der Haut unmittelbar herzutreten, überm Scheitel
nichts als der Himmel, den weiße, junge Wolken
schmücken. Man will von diesen ersten Begegnungen
mit der freien Natur nichts weiter als das Stillsitzen
im Sonnenschein, eine kurze Traumstunde, ein biß-
chen Heimweh nach der Kindheit, ein sanftes Däm-
mern und Lauschen der Seele auf die rinnende Zeit,
das so süß ist wie Schlaf. Die Bäume im Garten sind
noch kahl, aber der spanische Flieder greift mit seinen
sonnengelben Blütenranken, die wie Lichtstrahlen
leuchten, phantastisch durchs Geäst, der Himmel
schmilzt mit seinem Blau durch das Tannengrün
herab, und durch das Gewirre der vielen nackten
Zweige färbt sich sein Blau tief zum Violett hin, vor
dem das Weiß der Birkenstämme desto lieblicher auf-
glänzt. Amselrufe! Ein Eichhörnchen flitzt braun
und buschig die Mauer entlang; in windschneller
Schraube huscht es die Linde hinauf. Was gibt es
Köstlicheres als diese ersten Sonnen- und Liebes-
 
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