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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Morand, Dexter: Ein englisches Landhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0235

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•SCHLAFZIMMER« HAUS VARDY

ZWEI TÜREN LINKS: SCHRÄNKE

EIN ENGLISCHES LANDHAUS

VON DEXTER MORAND —LONDON

Es ist mir als englischem Architekturkritiker schon
oft aufgefallen, daß Kontinental-Europa sich fast
nur für unsere Wohnungskunst interessiert. Wieder
und wieder wurde mir deutlich, daß auf dem Kon-
tinent der festeingewurzelte Glaube besteht, England
bringe heute nur in der Raumkunst Gutes hervor und
habe auf keinem andern Gebiet bemerkenswerte Lei-
stungen aufzuweisen.

Das hier abgebildete Haus Vardy in Harpenden
(Grafschaft Hertfordshire) zeigt eine leicht moderni-
sierte Weiterführung überlieferter Landhaus-Formen
mit einer eigenwillig-persönlichen Innenausstattung.
Der Architekt F.G.Thomas verrät hier deutlich den
Einfluß seines Meisters Sir Giles Gilbert Scott. Das
Haus kann als ein gutes Beispiel für die gelassene
Haltung gelten, die wir in England den Stilneue-
rungen gegenüber einnehmen.

Wir haben es in England schwer, uns mit der
Sturmflut der Form-Erneuerungen zu befreunden, die
über den Kontinent hinweggeht. Konservative Ge-
sinnung ist bei uns nationaler Wesenszug. Wir ver-
langen, ehe wir etwas Neues annehmen, erst den
Beweis, daß es gut ist. Wir hören die Gründe an, die
man anführt zugunsten neuer Werkstoffe, neuer

Formen und Verfahren. Aber wir neigen zum Ab-
warten und denken, daß wir immer noch Zeit genug
haben, uns Neues nach seiner Bewährung anzueignen.

Das mag etwas nebelhaft klingen, aber es bildet
den Grund dafür, daß die Stilwandlung in England
nur geringe Fortschritte macht. Was unsere Archi-
tektur hervorbringt, ist die Arbeit älterer Männer, die
auf langer Praxis und bewährter Überlieferung ruht.
Die Neuform wird von den jüngeren Leuten getragen,
die eben ihr Studium beendet haben. Sobald sie in das
Atelier eines älteren Architekten eintreten, pflegt
sich ihr Sturm und Drang zu legen. Wo sie aber in
Freiheit arbeiten, bringen sie Leistungen hervor, die
in ihrem Modernismus den Vergleich mit deutschen
oder holländischen Arbeiten wohl aushalten. Bei-
spiele dafür sind Jos. Emberton, Raymond McGrath,
Connell, Ward u. a.

Das Haus, von dem ich hier zu reden habe, ist wohl
nicht in diesem Sinne »modern«, aber es entspricht
allen Anforderungen guter Planung. Es ist ge-
schmackvoll ausgeglichen, es hält sich frei von über-
flüssigem Zierat, es fügt sich gut in eine Landschaft,
an die englische Augen gewöhnt sind. Es ist ein Haus
für mittlere Wohnansprüche, hervorgegangen aus

1934. VII. 1
 
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