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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Meyer, Klaus: Sind Stilmöbel zeitlos?
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0243

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INNEN-DEKORATION

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g. rohde»sessel«: beige, rqck-, seitenlehnen und einfassung türkischrotes leder - »sofa«: gelb- und mittelbraun

fernt man die weiten Ausladungen vorstehender und
geschweifter Gesimse, so bleibt eine eindeutige Grund-
form übrig; die kann man zeitlos nennen, wenn sie
die Voraussetzung werkstoffgerechter Verarbeitung,
guter Verhältnisse und zweckvoller Abmessungen
erfüllt. Solche einwandfreie Grundform ist auch der
gesunde Kern, um den sich der kommende Stil unse-
rer Zeit formen muß. Die besten und hoffnungsvoll-
sten Ansätze dazu sind vorhanden. Es ist verwerflich
und kulturwidrig, wenn von verschiedenen Seiten
immer wieder versucht wird, aus mehr oder weniger
eigennützigen Gründen eine organische Entwicklung
abzubiegen und auf falsche Wege zurückzuleiten. -
Das »einheitliche Ganze« unserer Zeit ist nur dann
möglich, wenn Architekt, Unternehmer und Hand-
werker bereit sind, zum gleichen Ziel den gleichen
Weg zu gehen. Ihre Tradition sei die Qualität, zu ihr
zurückzufinden ihre vornehmste Pflicht. - Ehrfurcht
vor der Vergangenheit haben, heißt nicht, ein wohl-
feiles Plagiat aus ihr zu machen!

Es ist deshalb auch dringend notwendig, daß in den
Ausbildungsstätten der zeichnerische und theoreti-

sche Unterricht über Stilformen vergangener Jahr-
hunderte nicht an schöpferisch unbegabte Schüler
verschwendet wird, sonst ist die sichere Folge das
Plagiat aller Färbungen; die zeichnerische Hand-
fertigkeit allein darf niemals zum Freibrief werden
für geistige Stümper. Die äußere Form alter Möbel
bleibe unantastbar, alte ehrliche Gesinnung aber und
handwerkliches Können wollen wir zu neuem Leben
wecken. Schöpferische Kraft muß der Neues-Schaf-
fende in sich tragen, diese kann ihm die Vergangen-
heit nicht geben. Wer sie nicht besitzt, der muß sich
unterordnen und den bequemen Weg meiden, der
zurückführt zur Stil-Imitation des vorigen Jahrhun-
derts. Der beschwerlichere Weg ist bereitet, ihn zu
gehen muß man den Mut haben! Dann ist die Zeit
vielleicht nicht mehr so fern, in der man sagen kann:
Wir haben einen »neuen Stil«.

architekt klaus meyer-kassel-stuttgart

STIL ist der das Leben begleitende Rhythmus.
Entlehnt man ihn aus der Vergangenheit, er-
scheint er fremd und künstlich angelernt, a. v. gl.-r.

1934. VII. 2
 
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