Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Wohnraum als Bühnenbild
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0286

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
270

INNEN-DEKOR ATI ON

FRITZ REICHL »DAMENSCHLAFZIMMER«

WANDSCHRÄNKE MIT SALUBRA-TAPETE

WOHNRAUM ALS »BÜHNENBILD

Das tägliche Leben in der Wohnung ist ein Ge-
schehen, das in ständig sich wiederholenden
Szenen abläuft. Die Wohnräume sind die »Bühnen-
bilder« dieses Geschehens, die einzelnen Möbelgruppen
sind die »Szenerien« für die besonderen Einzelaus-
schnitte aus dem Gesamtablauf. Und was hier gesagt
wurde, ist keineswegs bloß ein ästhetisches »Wie« der
Betrachtung von Wohnräumen. Es gibt auch einen
Maßstab für gute und minder gute Lösung der Wohn-
raum-Fragen in die Hand. Denn wenn ein Raum oder
ein Raumteil sich nicht alsbald dem Blick als lockende
Szenerie für das Geschehen »Frühstück« oder »Plau-
derstunde am Kamin« oder »Handarbeit am Fenster«
empfiehlt, so ist die Lösung nicht völlig geglückt. Be-
helfen kann sich der Mensch überall; er kann, wenn
es sein muß, auf einem Kistendeckel schreiben und
auf einem Schemel am Fenster Strümpfe stopfen.
Aber Wohnen heißt etwas andres. Wohnen heißt,
daß entsprechende ausdrucksvolle Hilfen und Dienste
bereitstehen in Möbeln und Möbelgruppen, die zu der
und jener Betätigung verlocken und sie erleichtern.
»Fensterplatz« heißt nicht bloßes Bereitstehen irgend-

welcher Sitzgelegenheiten in Fensternähe, sondern es
heißt: Aufforderung zum behaglichen Sich-Ent-
spannen und zur Erschließung der inneren Bereit-
schaft, sich mitzuteilen, sich hörend und redend über
dies und das zu ergehen. Es heißt weiter: Gutes, ein-
ladendes Gegenüber der Gesprächspartner, richtige
»Winkel« des Beieinandersitzens, richtige Gestaltung
der Möbel, der Lehnen, der Tischhöhe, des Licht-
trägers. Täuschen wir uns darüber nicht: das Auge
bringt da immer in einer bühnenbildmäßigen Ab-
schätzung die erste entscheidende Orientierung und
damit die seelische »Gestimmtheit«. Wir brauchen
bloß daran zu denken, wie wir alle verfahren, wenn
wir ein Gastlokal betreten und uns einen Sitzplatz
aussuchen. Da betrachten wir unzweifelhaft den gan-
zen Raum als Bühnenbild, und wo uns die lockendste
Szenerie anspricht, die ausdrucksvollste Gruppierung,
wo uns reizvolle »Ortgefühle« winken, ein behagliches
Beieinander von leicht angedeuteter Abgrenzung
und netter Verbundenheit, da lassen wir uns nieder.

Was bedeutet der rechte Aufbau der Szenerie »Arbeit
am Schreibtisch« für die gute Arbeitsstimmung! Ganz
 
Annotationen