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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Pütz, Friedrich: "Villa" oder "Landhaus"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0358

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342

INNEN-DEKORATION

HOLZHAUS-SCHAU DER DEUTSCHEN WERKSTÄTTEN

GERÄUMIGES ESSZIMMER MIT HOLZVERTÄFELUNG

senheit von Licht und Luft immer mehr zum Bewußt-
sein kam, waren viele vernünftig genug, sich und
ihren Kindern in ähnlicher Weise einen Platz an der
Sonne einzurichten. So gibt es z.B. seit Jahren auch
im Westen Berlins auf leeren Baustellen, oft zwi-
schen modernen Mietpalästen eingeschachtelt, recht
ansehnliche Oasen, deren Bewohner allerdings in
ihrer landwirtschaftlichen Betätigung wesentlich zu-
rückhaltender sind, als ihre Vorläufer im Norden und
Osten. Hier baut kein Ehrgeiz jene zinnen- und turm-
geschmückten Knusperhäuschen mit rauchenden
Kaminen. Man hat hier mehr Geschmack, aber auch
weniger Lust am Werk. Gegen Regen schützt eine
einfache Laube oder ein Gartenschirm. Man hantiert
und gräbt nicht so emsig herum, sondern man hält
Siesta auf Liegestühlen mit Sonnendach, liest oder
träumt — träumt von seiner Sehnsucht nach dem
Landhaus! Hie »Villa« - hie »Landhaus«.

Diese Gegenüberstellung beleuchtet die große Ver-
schiedenheit der Vorstellungen und auch die Wand-
lung, die jene Begriffe erfahren haben. An der »Villa«
sind Reste jener repräsentativen Würde der Gründer-
jahre haften geblieben, als man eine Palastwirkung
erstrebte und sich mit seinem Hause dem großen Le-
ben der Stadt zugehörig fühlte. Der Vorgarten war

nur eine Attitüde reservierter Haltung. Seine meist
bescheidene Flora ließ auch nie an einen wirklichen
Garten denken.

Unserer heutigen Sehnsucht nach dem »Landhaus«
ist dagegen die Verschmolzenheit oder Durchdringung
von Haus und Garten wesentliche Forderung. Der
Garten wird als unentbehrliche Erweiterung der
Wohnräume empfunden, der auch den Genuß der Be-
wegung im Freien und wirkliche Erholung von der
Betriebsamkeit der Stadt erlaubt. Auf modernen
Komfort und die Anregungen der Großstadt will man
im Landhaus natürlich nicht verzichten. So ergibt
sich das Paradoxon, daß dieses Landhaus nicht auf
dem Lande, sondern im Umkreis der Stadt gedacht ist.

Die »Villa« im alten Sinne kaum versteckter Ur-
banität hat ihre Rolle ziemlich ausgespielt. Dem klei-
nen Mann galt dieser Begriff einst als Gipfelpunkt
sozialen Aufstiegs, den sein Geltungsdrang sich na-
türlich zur Stadt hin- und nicht abgekehrt dachte.
Darum schrieb er »Villa Marie« an seine Laube.

Wer die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stu-
fenleiter genügend hoch erklommen und die Last
eines großen Pflichtenkreises genügend stark emp-
funden, dessen Verlangen nach innerer Erholung
zieht es in das Landhaus als Stätte der Entspannung
 
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