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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 59.1943-1944

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Rave, Paul Ortwin: Caspar David Friedrichs Gartenlaube
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https://doi.org/10.11588/diglit.16492#0128

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Caspar David Friedrichs Gartenlaube. Von p. o. Rave

Als im vorigen Jahre ein reizendes Faksimile-Bän ri-
ehen des Gebrüder Mann-Verlages unbekannte Zeich-
nungen Caspar David Friedrichs der Öffentlichkeit
schenkte, konnte keiner von denen, die an der Heraus-
gabe näher beteiligt waren oder das Büchlein mit
Fleiß betrachteten, ahnen, daß schon bald im Ber-
liner Privatbesitz ein Gemälde auftauchen würde, zu
dem die Vorzeichnung eben unter diesen Blättern
enthalten war. Die Veröffentlichung vereinigt die
beiden Skizzenbücher Friedrichs, die sich im Besitz
der National-Galerie zu Oslo befinden, ein kleineres
aus dem Jahre 1806 und ein größeres von 1818, beide
auf Reisen des Künstlers in seine alte Heimat Greifs-
wald und während seiner Ausflüge auf Rügen be-
nutzt. Zwei ehemals zugehörige, wohl vor langer Zeit
herausgetrennte Blätter wurden hinzugefügt, wovon
das eine seit 1928 dem Dresdner Kupferstichkabinett
gehört. Dieses Blatt ist bezeichnet „Den 20t. August
1818 in Bruder Adolphs Garten". Ludwig Grote, dem
die lesenswerte Einführung zu dem Bändchen zu
danken ist, führt zu dieser in ziemlich flüchtigen
Bleistiftlinien angelegten Zeichnung aus: „Um den
20. August hat Friedrich mit seiner Frau Greifswald
wieder verlassen. In den letzten Tagen des Aufent-
haltes hält er noch zwei Motive aus dem Garten seines
Vaterhauses fest, das damals der Bruder Adolph be-
wohnte. Der ganze Zauber der Heimat lebt in dem
Blick aus der Gartenlaube auf die Jakobikirche. Die
beiden Frauengestalten müssen wir uns wieder als
Caroline und eine ihrer Schwägerinnen denken, sie
vermitteln uns das stille Gartenglück im Aufblick zu
dem alten Gott der Ahnen."

Vielleicht hat der Maler, nach Hause zurückgekehrt,
selbst dieses Blättchen aus dem Skizzenbuch heraus-
getrennt, als Anhalt für sein Gemälde, das er vermut-
lich bald darauf in Angriff nahm und möglicherweise
als ein Geschenk für die gastliche Aufnahme seinem
Bruder oder einem Freunde nach Greifswald sandte.
Denn nach Greifswald führen die Spuren des Bildes.
Hier lebte eine Familie Finelius. Friedrich Finelius
(1787—1846), Magister und Theologie-Professor,
war in seiner Jugend wie Caspar David Friedrich ein
Schüler des Universitätszeichenmeisters Quistorp ge-
wesen, auch Dichter und Bildnismaler; ein Selbstbild-
nis ist noch vorhanden. Er wird häufig in den Ge-
schwisterbriefen des Malers genannt (Aus dem Leben
C. D. Friedrichs, herausg. von Dr. Friedrich Wiegand,
Greifswald 1924), aus denen hervorgeht, daß die Be-
ziehungen zu ihm recht rege waren. So heißt es z. B.,
als Friedrichs Frau Caroline wenige Monate nach
dem Besuch in Greifswald aus Dresden schreibt: „Ich
erinnere mich immer noch mit Vergnügen des 17ten
Augustes, als Magister Finelius kam und wir bis um
zehn Uhr so traulich in dem Garten beisammensaßen."
Sein Sohn Hermann Finelius (1819—1849) war
Arzt, Dozent und ist ebenfalls als Dichter hervorge-
treten (von beiden ein Lebensbild in der Allgemeinen
Deutschen Biographie). Dessen Schwester Friederike
heiratete einen Arzt namens Buhtz aus Anklam (vgl.
Genealog. Handbuch bürgerlicher Familien, Bd. 16,

1909, S. 585). Des Hennann Finelius eigenhändiges
Testament, heute wie das Gemälde in der Familie
der Erben aufbewahrt, hat vorgelegen, datiert vom
14. August 1848. Es vermacht unter Punkt 7 „mei-
ner theuren Schwester Friederike Buhtz Eine Laube,
Ölgemälde von Friedrich".

Auf der Zeichnung des Skizzenbuches sind zweifellos
zwei Frauen dargestellt. Die langen, die Füße ver-
hüllenden Röcke, die Umhängetücher und hohen Hüte
mit breiter Krempe sprechen dafür. Auf dem Gemälde
ist dagegen die rechts stehende Figur ein Mann ge-
worden, dessen Hosenbeine aus dem langen Rock her-
vorragen, der seinen Mantel malerisch um die Schul-
tern geworfen trägt und das langgelockte Haupt mit
einem Künstlerbarett bedeckt hält: Also doch wohl
der Maler selbst, eine Art Selbstbildnis, dem Bruder
oder Freund als Gruß und zur Erinnerung gesandt.
Dann müßte die links sitzende Frau seine Gattin Ca-
roline sein und könnte es durchaus sein. Ist nicht das
Haar mit einem Kamm ähnlich aufgesteckt wie bei
dem bekannten Bild der National-Galerie, Frau am
Fenster, die ziemlich sicher Caroline Friedrich dar-
stellt, und ebenfalls am Hals ein weißes, in Spitzen
auslaufendes Krägelchen trägt?

Auch des Gartens geschieht häufig Erwähnung in der
Ausgabe der Geschwisterbriefe. Einmal heißt es zum
Schluß eines Schreibens der Frau vom 15. Mai 1820:
„In dem Gärtchen muß es jetzt recht schön sein, und
es versetzt sich manchmal in Euer Lusthäuschen mit
Freuden Euere Schwester Caroline Friedrich." Nun
liegt das Geburtshaus Friedrichs mitten in der Stadt,
in der Langen Straße unmittelbar an der Nikolai-
kirche und kann jedenfalls keinen solchen Garten mit
Laube besessen haben. Vermutlich lag das Gärtchen
außerhalb der Stadt, etwa im Gelände des heutigen
Stadtparkes, im Nordwesten, von wo man den Blick
gen Osten auf den Turm der Nikolaikirche (nicht der
Jakobikirche, wie Grote irrtümlich annimmt) haben
kann, wie es die Stellung des abendlichen Mondes auf
dem Bilde erheischt.

Still und versunken harren die beiden Menschen in
den anbrechenden Abend und blicken auf das Gottes-
haus, das in freier Umbildung aus der Nikolaikirche
entstanden erscheint, statt des barocken Haubenhelms
eine sehr schlanke neugotische Spitze nebst allerlei
spitzigem Zierat bekam und überhaupt in seinen Ver-
hältnissen übertrieben gestreckt wurde, einen Hang
zur Höhe erhielt, der als Eigenart bei Friedrichs Bil-
dern oft in Erscheinung tritt. Das Gemütliche des
Gartenglücks in der Zeichnung ist dadurch auf dem
Gemälde zu einem stillen Ernst gesteigert, zu einem
Blick aufs Ewige, Überirdische. Wie eine Erschei-
nung, die nicht zu dieser Welt gehört, ragt das Bau-
werk gen Himmel, ohne Verbindung mit unserer
Erde. Wir sehen nicht und wissen nicht, wie das Reich
Gottes hienieden begründet ist. Eine dichte Pflanzung
verdeckt den Ausblick; es .ist unbestimmt gelassen, ob
eine Gartenzüchtung, Bohnen, Hopfen oder Phan-
tasie-Weinstöcke. Sie gehört in ihrer wirren krausen
Masse zum Vordergrund, wie die rahmende Laube,

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