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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

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Heft 5/6
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Sepp, ...: Ursprung der Glas-Malerei, [14]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0048

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■3- -4

nröglich scheint. Damit ist uns nahe gelegt, daß eine Entdeckung, ist das Geheimniß aufgeschlossen, bis zu ihrer
Vollendung nicht immer lange Zeit erfordert. Mit der Glasmalerei ist es derselbe Fall.

Noch mehr! Den Satz: mit dem Verlassen der romanischen Architektur, deren breite Mauern den
Fresken freien Spielraum boten, oder mit den: neuen Gesetz der vertikalen Steinmetzen-Gothik, wobei die Wand
zwischen den Pfeilerbündeln durch Maß- und Stabwerk, Lisenen und gekreuzte Bogen gegliedert ist, mußte die
Malerei den Fensterraum benützen ■— kehrt Direktor Essenwein mir in's Gegentheil um durch die Erklärung:
die bereits vorhandene Kunst der Glasgemälde habe einen wesentlichen Einfluß auf die Gestaltung der Gothik
geübt, indeni inan des Lichtes halber die Fenster erhöhte und namentlich die riesigen Radfenster in die Paupt
fahnde und Front der Seitcnbalken einschob, um das durch Farben gedämpfte Tageslicht ausgiebig in's Innere
ströinen zu lassen. Ein frischer Gedanke, der unfern Dank verdient, aber schwerlich zeitbestimmend für das
Aufkommen der Fenstergeniälde wirkt.

Der Anstoß zur weiteren Untersuchung und Quellenforschung ist hiemit gegeben, französischen Widerspruch
wollen wir abwarten; geben wir uns nicht selber auf! Auch heute leistet Bayern vorwiegend im Kunstgebiete
Großes; man darf die Bedeutung des Agilolfingifchen und Karolingischen Bayerns nicht gering anschlagen oder
gar herabsetzen; man lege uns erst neuentdeckte Urkunden vor, bevor wir unsere historisch begründeten Ansprüche
opfern. Tole sint Walha, spähe sint Peigira: „Toll sind die Wälschen, weise die Bayern," lautet die Kasseler
Glosse, eines der älteren deutschen Sprachdenkmäler. Wenn aber unser größter Dichter des Mittelalters, Wolfram
von Eschcnbach, im Parcival s2s, 7, meldet und sich selbst nicht ausschließt:

Ein prks den wir Beier tragen
muoz ich von Waleisen sagen:
die sint törscher denne beiersch her
unt doch bi manlicher wer

so haben auch Andere die Thorheit richtig dahin verstanden, daß sie ihren Werth unterschätzen und, jeder
Anmaßung fremd, sich nicht zur Geltung zu bringen wissen. Dies gilt gleichmäßig von unseren Stammesbrüdern
in der „bayerischen Ostmark", den im XII. Jahrhundert abgetrennten Oesterreichern.

Der altbayerische Klerus war ungewöhnlich reichstreu, ja als der letzte Agilolflnger feine Politik von
jener Karl's des Großen trennte, ließ Adel und Geistlichkeit ihn im Stiche. Damals lebte Laitrad, dessen Name
so oft in Schäftlarns Urkunden vorkommt; 77fl erscheint er als Notar in Freising und schreibt noch 782 als
Diakon eine Urkunde für Tassilo. Vielleicht ist er der ältest bekannte Münchener, denn neben Tegernsee und
Wessobrunn hatte auch Schäftlarn hier Bodenbesitz und für seine Mönche abwechselnd eine Station. Laitrad
schwang sich neben Alkuin, dem Bruder des Salzburger Erzbischofs Arno, zum Minister Kaiser Karl's empor,
tritt neben Theodulf, den: Gothen, Bischof von Orleans, als königlicher Gewaltbote in Südfrankreich auf, wird
Erzbischof von Lyon und geht am 28. Dezember 8s7 aus der Welt, nicht ohne schriftliche, zum Theil in Karl's
Auftrag verfaßte Werke zu hinterlassen.

Die alten deutschen Kaiser haben große Stücke auf Altbayern gehalten; die letzten Karolinger schlugen
da ihre Residenz auf. Bischof Abraham von Freising gewann von Otto II., unter welchem die Bayern zum
erstenmal vor Paris rückten, die Grafschaft Tatubria, Tadoberthal, nordöstlich von Belluno. Gleich den Vicen-
tinischen lebten damals dort noch Deutsche, pieve di Tadore, der Pauptort, ist Titian's peimath. Die Besitzungen
um Treviso und Vicenza kamen jedoch nach Abraham's Tod an Inichen, das tirolische Missionsstift. In Polling
empfing Perzog peinrich IV. von Bayern, Großneffe Otto's des Großen, die Leiche des auf der Burg Paterno
bei Rom verstorbenen Kaisers Otto's III., f 23. Januar j002. Der Zug ging von da nach Ncuburg an der
Donau und bis Köln. Er ist als Kaiser peinrich II., geboren in Abbach am 6. Mai 973, der einzige Altbayer,
welcher seit 800 Jahren heilig gesprochen ward. Er erhob Tagino, aus adeligem Geschlecht des Freisinger
Sprengels, der seit s002 durch ein halbes Jahrhundert von Regcnsburg aus Benediktbeuern regierte, f00I> zum
Erzbischof von Magdeburg. Poppo, ein Bayer, wurde 1019 Patriarch von Aquileja; Aribo II., zuerst Salz-
burger Diakon, durch Kaiserin Kunigunde erhoben, s02s Erzbischof von Mainz; Piligrim, sein Neffe, gleichzeitig
Erzbischof von Köln, der Babenberger Poppo s0s6 von Trier. Bruno, des Königs Bruder, ward l006 Bischof
von Augsburg, fein palbbruder Arnold Erzbischof von Ravenna — alle in der Zeit der Entdeckung der

Glasmalerei. An entsprechender Bildung hat es damals im Lande wahrlich nicht gefehlt.

In der Portalfüllung des prächtigen romanischen Doms St. Tastulus zu Moosburg, der mit flacher
Decke und durch den Triumphbogen abgeschlossenen gothischen Thoranbau als fünffchiffiger Dom die beiden
Seitenschiffe eigenthümlich als Terrassen zum Mittelschiff ansteigen läßt, kniet Kaiser peinrich der peilige als

Mitstifter, wie Barbarossa mit Beatrix dem Dom zu Freisingen sein Patronat angedeihen ließ und mit kaiser-

licher Beisteuer ihn zur Vollendung brachte. Beide waren vorzügliche Gönner der Tegernseer Stiftsherren. Auch
im Kreuzgang von St. Zeno bei Reichenhall findet sich ein rohes typisches Bild von Kaiser Friedrich I., zu dessen
Zeit noch Niedernburg, Klosterkirche in Passau, laut Inschrift entstand. Sein und Beatricens Bild in Freising
sind sos^ gothisch überarbeitet. »
 
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