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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

DOI Heft:
Heft 9/10
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Ranke, Johannes: Anfänge der Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0073

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zwei am Rande, eine in der Mitte — Parallelvertiefungen in den Ansehen cingeschabt, durch welche zunächst
zwei — einige Linien breite •— Parallelleisten gebildet wurden; indem man nun weiter in schiefer Richtung
parallelfurchen in symmetrischem Abstand in diese hervorspringenden Leisten einritzte, entstand ein erhabenes, aus
kleinen Rauten gebildetes, an ein einfaches Flechtwerk erinnerndes Ornament, dem ein gewisser Geschmack nicht
abgesprochen werden kann. An höher entwickelte, aus der textilen Aunst entnommene Ornamente •— Motive
erinnern die schief oder senkrecht zur Längenaxe verlaufenden Parallellinien an einer aus Renhorn gearbeiteten
Speerspitze und an einigen anderen griffartigen Instrumenten. Gin Schabmeißel aus Rengeweih zeigt in einer
rinnenartigcn Vertiefung ein Strickornament und die Spitze eines Pornpfricmens ist im Ganzen in der Gestalt
eines zusammengedrehten Strickes modellirt. Daß wir es hier wirklich mit absichtlich gewählten, der textilen
Technik entnommenen Ornamenten zu thun haben, beweist am sichersten eine größere Parpune, ebenfalls aus
Renthiergcweih geschnitzt. Ihre etwas zerbrechlich erscheinenden Widerhacken sind, gleichsam um ihnen für das
Ansehen mehr Widerstandsfähigkeit und palt zu geben, durch ein regelmäßiges Bandornamcnt an den Schaft,
mit dem sie in Wahrheit aus einein Stücke gefertigt sind, gebunden.

Außerordentlich klar treten uns die Grundprincipien der Ornamentirung aus der Untersuchung der ältesten
keranrischen Reste aus der Renthierzeit entgegen. Aus den Ornamenten der Renthiergeweihstücke und der
daraus gefertigten Instrumente erkannten wir mit Gewißheit, daß Motive der textilen Technik als Ornamente,
lediglich zum Schmuck, einem Schönheitsbedürfniß entsprechend, bei den Pöhlenbewohnern Verwendung fanden.
Es entspricht das vollkommen den geistvollen Auseinandersetzungen Se mper's über die Geschichte und Entstehung
des Ornaments. Bekanntlich leitet Semper auch viele der Ornamente der Aeramik wie der Metalltechnik und
Baukunst aus derselben Quelle ab. Aber der Zusammenhang zunächst des keramischen und textilen Ornaments
ist keineswegs, wie Semper anzunehmen scheint, ein rein idealer, meist so entstanden, daß man die als
geschmackvoll und schön empfundenen Liniencompositionen der Flechtwerke und Gespinnste auf die durch andere
Technik hergestellten Gegenstände, um ihnen eine künstlerische Gestaltung zu geben, übertrug. Zwischen textiler
Aunst und Aeramik besteht ein vollkommen direkter Zusannnenhang.

(Schluß folgt.)

O

Aushängeschild ((7. Jahrhundert). Iin Besitze des Herrn Antiquar pickert in Nürnberg. Ausgenommen von probst.
 
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