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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Bode, Wilhelm von: Die amerikanische Konkurrenz im Kunsthandel und ihre Gefahr für Europa
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0021

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Kenntnis der alten Kunst, im Eifer der
Forschung nach ihrenWerken und dem stetigen,
mühseligen Nachgehen nach verschollenen oder
wenig bekannten Stücken in Privatbesitz. Das
ist nicht Sache dieser Milliardäre; es ist auch
ihren Lieferanten viel zu mühsam, ganz abge-
sehen davon, dass diese selten die Kenntnisse
dazu haben. Sie suchen lieber da, wo rasch
und viel zu verdienen ist, und wagen sich da-
her an ganz bedeutende Sammlungen nur ganz
ausnahmsweise heran; denn die Besitzer solcher
Sammlungen pflegen schwer zugänglich zu
sein, zumal für zweifelhafte Ehrenmänner,
während die Besitzer von Mittelgut sich mit
solchen gerade gern verbinden; haben sie doch
nur mit ihnen und durch sie die Aussicht auf
gewinnbringenden Verkauf ihrer Ware.

Gerade die Widerwärtigkeit des Kunst-
handels in dieser seiner modernsten Entwicke-
lung und des Verkehrs mit den Händlern und
Vermittlern aller Art, die er an die Oberfläche
gebracht hat, hat die wirklichen Kunstfreunde
und vornehm Denkenden unter den Sammlern
und Besitzern wertvoller Kunstwerke gegen
die Versuchung des Verkaufs nur noch un-
zugänglichergemacht. Wir verdanken es nicht
am wenigsten den Amerikanern und ihren
Trabanten, teilweise auch dem wahrhaft gross-
artigen Vorbild der Amerikaner nach dieser
Richtung, dass unsere Sammler ihre Kunst-
werke, soweit sie sich überhaupt von ihnen
trennen, entweder den öffentlichen Museen
vermachen, schenken und leihweise überlassen

oder, wenn sie verkaufen müssen, diesen die
Auswahl und den Vorkauf einräumen. In Lon-
don ist im vorigen Jahre als Stiftung der Lady
Wallace die Wallace-Collection eröffnet wor-
den, die an Wert und Reichhaltigkeit der
Kunstwerke und ihrer Ausstattung alle Privat-
sammlungen der Welt weit hinter sich lässt. Der
Louvre hat erst kürzlich den Saal der Stiftung
Baron Adolphe Rothschilds eröffnet und gleich
darauf die grosse, in Europa fast einzig da-
stehende Sammlung klassischer französischer
Gemälde des 19. Jahrhunderts von Thomy
Thierry vermacht bekommen. Die Stadt Paris
hat soeben die grossartigen Sammlungen von
Eugene Dutuit erhalten, die allein bedeutender
sind als alles, was seit zehn Jahren von Ameri-
kanern an Kunstwerken erworben ist. Das
Berliner Kaiser Friedrichs-Museum wird durch
das grossmütige Geschenk von James Simon eine
zwar nicht sehr umfangreiche, aber sehr wert-
volle und mannigfache Renaissancesammlung
erhalten, und aus den von Beckerathschcn und
anderen Sammlungen haben unsere Museen
unter den günstigsten Bedingungen die Aus-
wahl des Besten treffen dürfen. Wir sind
auch für die Zukunft nicht bange, trotz den
Amerikanern, wenn wir uns auch völlig klar
darüber sind, dass die Quellen für ergiebige
Vermehrung der Kunstsammlungen von Jahr
zu Jahr spärlicher fliessen und die Konkurrenz
durch die Begründung immer neuer Museen
und die reichlichere Dotierung der Museen
immer stärker wird.

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LUDWIG VON HOFMANN, HEIMWEG

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