Ein „Liebespaar am Brunnen" ist das von einer Wirkung, die um so merkwürdiger
dritte Pastell der Nationalgalerie. Man findet anmutet, als der Auftrag der Farbe trocken und
hier Wolkenstreifen, ähnlich wie auf dem materiell ist. Eine sehr schöne, schimmernde
ersten Pastell, und weisse, gelbe, orangefar- Leuchtkraft ist in dieser Luft überall; abge-
bene Lichter leuchten von der linken Ecke sehen von dieser sehr schönen, wahrhaft ver-
des Himmels her und treffen die Häuser und klärten Luft ist die rechte Hälfte des Bildes
die Landschaft im Hintergrund. In der Geste sehr schön, mit der Kuh, die vorzüglich dar-
des trinkenden Liebhabers ist mehr Naivetät gestellt ist, und der sehr glücklichen und aus-
als man sehen möchte, und etwas nichtig, zer- drucksvollen Silhouette der Hügel, welche
rinnend, erscheinen beide Gestalten, des Lieb- sich vom Lufthintergrunde absetzen. Alles ist
habers und des Mädchens; sie verflüchtigen in dieser Hälfte malerisch belebt; man be-
sieh, und was man von dem Mädchen wahr- wundert rechts von der Kuh die goldenen
nimmt, ist nicht frei von etwas Süsslichem. Töne der Hürde, mit dem Hirten, der das
„Trübe Stunde" heisst ein Oelbild der Vieh bewacht, mit der Hirtin, die weiterab
Nationalgalerie; es ist 189z gemalt. Von der sichtbar wird, und den Uebergang zu der
sitzenden Frau kann man nicht viel Rühmen- grünen Trift, welche zu den ernsten, schweren
des sagen. Die Figur wirkt besser als das Hügeln hinaufführt.
Gesicht; die Figur mit der vom Feuer ange- Das letzte Bild des Künstlers in der National-
strahlten Gewandung ist technisch vortrefflich, galerie ist 1895 gemalt.
Im Gesichte konnte der Maler nicht den Eine rosa Glorie erfüllt die Luft. Sie badet
Ausdruck erreichen,
den er wiederzugeben
wünschte, da es sich
von der helleren Atmo-
sphäre als eine dunk-
lere Masse, die Details
nicht aufkommen lässt,
abhebt. Für die Wir-
kung in die Ferne hat
der Künstler das Ge-
sicht einheitlich gege-
ben; der Wirkung in
die Nähe zu Liebe in-
des in das Antlitz
Augen hineingezeich-
net, welche die Malerei
entstellen. Durchweg
schön ist die Luft be-
handelt. Sie ist von
rosa Wolken und eini-
gen wenigen Wolken
in Violett durchzogen,
diese werden von Jich-
tenWolken überschnit-
ten und dort erblickt
man atmosphärische
Gebilde von einer über-
aus luftigen Wirkung,
SEGANTINI, TKÄUMENDES HIRTENMÄDCHEN (ETWA 1883)
den Schnee der Berge
mit ihrem Glanz. In
fast rosenfarbenem
Widerscheine schim-
mert der Schnee, die
Berggipfel liegen hell
in diesem Abendlichte.
Vor solchem feenhaft
erglänzenden und wun-
dersam anziehenden
Hintergrunde, wäh-
rend unterderrosa Glo-
rie in bläulichem Dun-
ste der bleiche Mond
auftaucht, zieht über
die Hochebene ein
Trauerzug; der Wagen
knarrt auf dem von
rötlichem Licht gleich-
sam phosphorescieren-
den Wege. Frau und
Tochter sitzen im Wa-
gen auf dem Sarge
— etwas melodrama-
tisch, Ritorno al paese
natale heisst das Bild,
das ist ebenfalls etwas
melodramatisch, aber
49
dritte Pastell der Nationalgalerie. Man findet anmutet, als der Auftrag der Farbe trocken und
hier Wolkenstreifen, ähnlich wie auf dem materiell ist. Eine sehr schöne, schimmernde
ersten Pastell, und weisse, gelbe, orangefar- Leuchtkraft ist in dieser Luft überall; abge-
bene Lichter leuchten von der linken Ecke sehen von dieser sehr schönen, wahrhaft ver-
des Himmels her und treffen die Häuser und klärten Luft ist die rechte Hälfte des Bildes
die Landschaft im Hintergrund. In der Geste sehr schön, mit der Kuh, die vorzüglich dar-
des trinkenden Liebhabers ist mehr Naivetät gestellt ist, und der sehr glücklichen und aus-
als man sehen möchte, und etwas nichtig, zer- drucksvollen Silhouette der Hügel, welche
rinnend, erscheinen beide Gestalten, des Lieb- sich vom Lufthintergrunde absetzen. Alles ist
habers und des Mädchens; sie verflüchtigen in dieser Hälfte malerisch belebt; man be-
sieh, und was man von dem Mädchen wahr- wundert rechts von der Kuh die goldenen
nimmt, ist nicht frei von etwas Süsslichem. Töne der Hürde, mit dem Hirten, der das
„Trübe Stunde" heisst ein Oelbild der Vieh bewacht, mit der Hirtin, die weiterab
Nationalgalerie; es ist 189z gemalt. Von der sichtbar wird, und den Uebergang zu der
sitzenden Frau kann man nicht viel Rühmen- grünen Trift, welche zu den ernsten, schweren
des sagen. Die Figur wirkt besser als das Hügeln hinaufführt.
Gesicht; die Figur mit der vom Feuer ange- Das letzte Bild des Künstlers in der National-
strahlten Gewandung ist technisch vortrefflich, galerie ist 1895 gemalt.
Im Gesichte konnte der Maler nicht den Eine rosa Glorie erfüllt die Luft. Sie badet
Ausdruck erreichen,
den er wiederzugeben
wünschte, da es sich
von der helleren Atmo-
sphäre als eine dunk-
lere Masse, die Details
nicht aufkommen lässt,
abhebt. Für die Wir-
kung in die Ferne hat
der Künstler das Ge-
sicht einheitlich gege-
ben; der Wirkung in
die Nähe zu Liebe in-
des in das Antlitz
Augen hineingezeich-
net, welche die Malerei
entstellen. Durchweg
schön ist die Luft be-
handelt. Sie ist von
rosa Wolken und eini-
gen wenigen Wolken
in Violett durchzogen,
diese werden von Jich-
tenWolken überschnit-
ten und dort erblickt
man atmosphärische
Gebilde von einer über-
aus luftigen Wirkung,
SEGANTINI, TKÄUMENDES HIRTENMÄDCHEN (ETWA 1883)
den Schnee der Berge
mit ihrem Glanz. In
fast rosenfarbenem
Widerscheine schim-
mert der Schnee, die
Berggipfel liegen hell
in diesem Abendlichte.
Vor solchem feenhaft
erglänzenden und wun-
dersam anziehenden
Hintergrunde, wäh-
rend unterderrosa Glo-
rie in bläulichem Dun-
ste der bleiche Mond
auftaucht, zieht über
die Hochebene ein
Trauerzug; der Wagen
knarrt auf dem von
rötlichem Licht gleich-
sam phosphorescieren-
den Wege. Frau und
Tochter sitzen im Wa-
gen auf dem Sarge
— etwas melodrama-
tisch, Ritorno al paese
natale heisst das Bild,
das ist ebenfalls etwas
melodramatisch, aber
49