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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Chronik: Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0084

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bedauerlich für das Publikum, das nun wieder ein-
mal schiefe unklare Begriffe über die „neue Be-
wegung" bekommt und wieder einmal garnicht
weiss, „was es zu denken hat"; bedauerlich für
die „Bewegung", die an Kredit verliert; bedauer-
lich für die Kritisierenden, die sich mehr „zum
Mitlieben als zum Mithassen" berufen fühlen und
die nun einem an sich so sympathischen nobel und
gross angelegten Unternehmen ein schlechtes Ge-
leitschreiben "eben müssen. Aber die es gut
meinen mit der Geschmackskultur dürfen heut
nicht mehr Enthusiasten sein, sondern strenge
Merker. Und in der Wertheimschen dekorativen
Revue in zwölf Bildern werden sie leider genug
anzukreiden finden. Vor allem vermisst man die
Delikatessen der Farbenstimmung und die orga-
nische, sichere und selbstverständliche Inscenie-
ruhg des Raumes. Statt dessen trifft man nur zu
oft auf peinliche Excentrics und Verzerrungen.
Das fatalste Beispiel davon giebt die Interieur-
Komposition August Endells. Endeil ist mir eine
der interessantesten und eigensten Persönlich-
keiten im Kunstgewerbe. Seine Ornamentik, her-
aufgeholt aus dem Grund des Meeres, ist beson-
ders und hat nervösen Reiz. In diesem Raum mit
seinen ungefüg wirkenden, dabei in der Tischler-
arbeit unnötig kompliziert entworfenen naturfar-
benen Möbeln und ihren eingeschnittenen kribbe-
ligen Linien, der harten Koloristik von Grün, Blau,
Violett und Rot bleibt nur das Nervöse übrig.
Auch das Speisezimmer von Peter Behrens, der
mehr und mehr zur Dumpfheit neitit, hat eine
vsrimasse. Sie kommt aus dem unruhigen, wie in
rieberträumen empfangenen Ornament, das sehr
pedantisch uniform überall angebracht ist, uns auf
l'em Fries, auf dem Teppich, ja sogar auf jedem
Kleinsten Stück des Services verfolgt. Auch kann
lc'i die Verbindung gewisser an sich sehr hübscher
Y^tullrauselemente, der Spahnmatte als Paneel,
clei" geflochtenen Sessel mir den an sich ebenfalls
gelungenen düsterschweren Kredenzen nicht or-
ganisch und stilsicher finden.

Als Kuriosität nur wirkt an dieser Stelle Bailli

cott mit seinen primitiven, aber, ähnlich wie bei

p akmrosch, kostbar mit einer Einlage oder einem

eschlag pointierten Möbeln. Von seiner eigenr-

ciien Kunst origineller innenarchitektonischer

le<*erung, seinen artistischen Mansardenvaria-

nen kann man sich hier keinen Begriff

machen.

lm anspruchsvollen Pathos tritt Paul Trosts

k Cllafziinmer auf mit „verhüllter Stimmung", die

er spottet seiner selbst und weiss nicht wie —

'ch eine knallige Rosenstickerei auf grünem

runde und durch einen hygienisch-ästhetisch

famosen, aber in dem Sanktuarium deplazierren
Freilicht-Marmorwaschtisch zerrissen wird.

Weit gelungener ist Paul Schultze-Naumburgs
Schlafgemach. In ihm klingt liebliche altmodische
Weise von 1830: goldiges Nussholz, Schränkchen
mit Glasschreinen zwischen Säulchen, schwarze
Knöpfchen und elfenbeinerne Thürschilder an
den Kästen, dazu in hübscher runder Linien-
führung und mit Sprossendurchbruch das spröde
und keusche Bett einer jeune fälle. Einheit zwischen
diesen Stilnuancen und dem modernen Plätscher-
waschtisch mit Tub verbunden hat allerdings auch
er nicht herstellen können.

Etwas langweilig variiert der Däne Jörgensen
Empiremotive. Ausserdem kann ich ihm seine
flauen sehr gewöhnlich gefärbten Beschläge nicht
verzeihen. Arno Koernigs Kinderzimmer thut sehr
kindlich, erinnert aber in seinen überängstlichen
Massregeln gegen Stoss- und Fallgefahr an Jugend-
schriften mit aufdringlicher Tendenz. Am neutral-
sten sind Riemenschmids grau-grünes Wohnzimmer
mit den freilich etwas gefährlich anspringenden
Stuhllehnen und Sepp Kaisers behagliches Herren-
zimmer, das jedoch eine besondere künstlerische
Note nicht trägt und auch von einem geschmack-
vollen Möbelzeichner entworfen sein könnte.

Mehr Glück hatten Keller und Reiner, die in
ihrer neuen Interieurausstellung einen Haupt-
treffer aufweisen mit des Wiener Sumetsberger
Kredenzen von grösster Diskretion des Schmuckes,
strengkonstruktivem Aufbau und dabei doch fest-
lich vornehmer Repräsentation im Zusammenklang
des edlen Materials: des Paduck, Rosen- und
Königsholzes mit den schimmernden Facetten der
Verglasungen. Und ein geschmackvoller Eklek-
tiker stellt sich in dem Architekten Friedmann vor.
Er lässt sich — je prends mon bien oü je le trouve
— klug nur durch gute Motive anregen und be-
sitzt,— seine Zigarrenschränke, sein Schnapsarchiv,
die geschickte Ausnützung von hölzernen Sofa-
seitenwangen zu Servierbrertern und Tischlein
deck dich beweisen das — weltmännischen Sinn für
Komfort, den oft die Künstler von starker Eigen-
art vermissen lassen. Felix Poppenberg.

Der Verein für deutsches Kunstgewerbe hat
aus Anlass seines 25 jährigen Bestehens eine Aus-
stellung veranstaltet, für die zum letzten Male
die Räumlichkeiten der Akademie verwendet
werden konnten, die zu diesem Zwecke eine gänz-
liche Umwandlung erfuhren. Die Ausstellung be-
steht aus Zimmerausstattungen, Möbeln, Gold-
schmiedearbeiten, Porzellan, Kleidern, Stickereien,
dekorativen Bildern und Skulpturen.

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