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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Poppenberg, Felix: Die Kunst in der Strasse
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0114

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Selbstverständlich erscheint es heute, dass
das Plakat von einem Künstler entworfen wird
und die Säulen bieten nun statt platter süss-
licher und flauer Clichemanier Edmund Edels
lustig abgestimmte Spiele farbiger Flächen.

Unser ganzes Reklamewesen bekommt ein
artistisches Cache. Die Annoncen in unseren
Kunstzeitschriften bieten im Arrangement des
Letternbildes, in der Gruppierung der Schrift
auf Flächenwirkung manchmal ausserordent-
lich feine und ästhetisch vergnügliche Beispiele
einer Schwarz-Weiss-Kleinkunst.

Das Interesse für künstlerisches Arrangement
erstreckt sich auf die Auslagen der Schau-
fenster. Bei einem Wettbewerb, der neulich
stattfand, betonten einige Geschäfte ausdrück-
lich, dass ein Maler ihre Dekoration geleitet
habe. Die Resultate der künstlerischen Schau-

"-■•.*

ANDERS ZORN, AM PIANO (RADIERUNG)

fensterbehandlung sind nun allerdings noch
gering. Wenig sind die Vorgeschrittenen, die
aus der Eigenart ihrer Ware die dekorative
Note holen: Blumen und Stoffe auf Farben-
stimmung als praktisch angewandte Whist-
lersche Symphonien komponieren, Komfort-
und Gebrauchsgegenstände impressionistisch
leicht ungezwungen hinstellen, als habe sie der
Besitzer aus der Hand gelegt; wenig sieht man,
die die Bühnenkunst ihres kleinen Welttheaters
taktvoll beherrschen und unterscheiden, ob
für ihre Objekte der Schauraum besser als ein
Grossinterieur etwa als Toilettenzimmer mit
einem Trousseau oder mehr intim, in künst-
licher Verkleinerung als Vitrine eines sammeln-
den Amateurs mit Schmuckwerk und Statu-
etten zu gestalten sei. Wenig sind die Vor-
geschrittenen, die die japanische Weisheit der
sparsamen Raumfüllung erkannten
und statt der Häufung und der
Massen-Schichtung Auslese und
suggestive Placierung pflegen, die
es verschmähen, mit ihrem Lager
zu prahlen und statt dessen mit
wenigen Stücken (Doucet in der
Rue de la Paix giebt ein gutes Bei-
spiel) eine reservierte Probe des
Geistes und des Geschmacks liefern,
der in ihrem Betrieb massgebend ist.

Die Kunst in der Strasse ... man
kann sie jetzt auch Abends gemessen
in der Reklameillumination auf den
Dächern der Hauptstrassen zwischen
den Telephondrähten. Der erste
Eindruck dieses „Art du feu" auf
den pariser Boulevards, der Che-
retsche farbig flutende Schriftwellen
in das dicke Grau der Luft goss,
gab voll jene Stimmung Charpen-
tierscher Grossstadtphantastik: ville
de furniere.

Die Instrumentationskunst, die
Polyphonie changierender Farben-
mischungen, die auf den Lichter-
festen desChateaud'eau der Ausstel-
lung als Tart pour l'art entzückte,
trat hier als angewandte Kunst ins

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