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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0128

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gezeichnet haben". - So Mr. Laffan, der sehr
leichtherzig über seine Mittel zu verfügen scheint,
denn seinen Einsatz zu Gunsten einer milden An-
stalt in Berlin werde ich zweifellos gewinnen!

Da alle die Bilder, die ich als angebliche Meister-
werke in der Sammlung Massarenti aufgeführt
hätte, sich gar nicht darin befänden, so soll also —
nach Mr. Laffan — die von mir charakterisierte
Sammlung gar nicht dieselbe sein wie die, welche
Herr Walters erworben hatte. Und doch hat
dieser die Galerie des Don Marcello Massarenti
erworben, wie Herr Laffan zugiebt! Hat der
sammellustige altePrälat etwa mehrere solche grosse
Sammlungen besessen? Hat er etwa die uns allen
bekannte Sammlung, die denPalazzoAccoramboni
von oben bis unten füllte, verkauft, ohne dass
jemand es merkte, und dann in den letzten Jahren
noch einmal eine noch zahlreichere Sammlung zu-
sammengebracht? Niemand hat je davon gehört,
und die Zeitungen, die über den Verkauf sich
haben vernehmen lassen, wissen auch nur von
einer Sammlung. Freilich für jede einzelne Be-
nennung der Bilder der Sammlung zu jeder Zeit
vermag ich keine Rechenschaft zu geben; solche
Bilder, wie sie die Sammlung Massarenti enthielt,
lassen sich ja leicht beschaffen und vertragen sehr
viele Taufen! Auch bin ich weder beim Einpacken
der Sammlung in Rom noch beim Auspacken der-
selben in Baltimore gegenwärtig gewesen, aber
dass sie gleich vor oder nach dem Kauf eine andere
geworden sein sollte, als sie bis dahin war, wird
mit mir wohl niemand glauben. Beim Verkauf
und Export von Kunstsachen passieren in Italien
und zumal in Rom merkwürdige Dinge, aber
solche Wunder passieren auch dabei nicht!

Dass die Sammlung Massarenti, wie sie an
Mr. Walters verkauft worden ist, dieselbe sein muss,
wie die, welche ich und mancher Kunstfreund im
Laufe der Jahre im Palazzo Accoramboni gesehen
haben, dafür verweise ich hier nurauf einen Bericht
über den Verkauf, der mir srade vorliest. Es findet
sich im Feuilleton der Nationalzeitung vom 3.Juli
d. J. Dort heisst es u. a.: „Ein Herr Henry Wal-
ters aus Baltimore hat die Sammlung der alten
Gemälde, Skulpturen, Bronzen,Terrakottenu.s.w.
des Don Marcello Massarenti Ordelaffi für
200 000 Pfund Sterling erstanden. Ich will (so
schreibt der Verf. dieses Aufsatzes, ein Herr M.
Marasse, der dasLob der Sammlung singen möchte)
meinen nörgelnden Gedanken keinen beredten
Ausdruck geben, ich habe unter den 865 Bildern
vieles Gute, ja Vortreffliche gefunden, aber die
Eintragung aller dieser grossen Namen — da fehlt
keiner von den Aposteln der Renaissance in Italien,
den Meistern der Niederlande - halten wir doch
tür optimistische Erzeugnisse künstlerischer Einbil-
dungskraft. Murillo und Rubens sind je mit sechs,
Tizian mit sieben, Rembrandt mit fünf Bildern

vertreten. In der Salle des Chef-d'oeuvres sind
die Selbstporträts Raffaels und Michel-Angelos der
Hauptanziehungspunkt" u. s. f. Dies zitiert der
Verf. jenes Aufsatzes nach dem Katalog der Samm-
lung, den, wie er angiebt, der Maler Edouard
van Esbroeck aus Brüssel — beiläufig, ein uns als
Maler wie als Kunstkenner völlig unbekannter
Herr! — abgefasst hat.

AlsoauchdiesemBerichterstatter, der die Samm-
lung Massarenti noch kurz vor ihrer Überführung
nach Amerika im Palazzo Accoramboni sah, wurde
dort die Fülle angeblicher Werke der grössten
Meister vorgeführt, wie mir zu verschiedenen
Malen, und der officielle Katalog bezeichnete sie
als solche. Und doch behauptet Herr Laffan, die
Sammlung Massarenti, die ich gesehen und von der
ich sprach, müsse eine ganz andre sein, als die,
welche er gesehen und drei Wochen lang studiert
habe und die sein Freund Henry Walters jetzt in
Baltimore besässe. Hoffentlich klärt Herr Laffan
dieses Rätsel durch eine Veröffentlichung der Bilder
auf, da uns armen Europäern ja die Sammlung
selbst jetzt für immer entzogen ist.

Wofür Herr Laffan bei seinem dreiwöchent-
lichen Studium die Bilder angesehen hat und unter
welchen Namen sie Herr Walters in seinem Hause
aufgestellt hat, dies entzieht sich freilich meiner
Kenntnis; ich musste mich an die Namen halten,
unter denen sie mir im Palazzo Accoramboni vor-
gestellt wurden und unter denen sie der Katalog
der Sammlung Massarenti aufführt. Sollten wirk-
lich die Herren Laffan und Walters die Hinfällig-
keit jener hochtönenden Benennungen erkannt
und sie durch bescheidenere Namen ersetzt haben,
so ist es doppelt auffällig, dass dafür die Summe
von fünf Millionen Francs bezahlt wurde.

Da Herr Laffan mich dazu anregt, mag es mir
gestattet sein, hier noch einige Details in Bezug
auf diese berühmte Galerie zum besten zu geben.
Die Sammlung, wie sie im Palazzo Accoramboni
beisammen war, ist nicht ganz intakt in das Mu-
seum des amerikanischen Mäcens übergegangen;
vorher hat sich die italienische Regierung ihren
Tribut bezahlen lassen, als der Besitzer um die
Erlaubnis zur Ausfuhr der Sammlung bei ihr an-
trug. Ein Porträt Berninis unter Ph. de Cham-
pagnes Namen und ein kleiner hl. Georg unter
Pordenones Namen sind infolgedessen in die Gal-
leria Nazionale in Rom übergegangen; ersteres
jetzt dem Maler Gauli zugeschrieben, letzteres von
dem Direktor als Giorgione bezeichnet, eine Be-
nennung, die aber von allen Seiten energisch
zurückgewiesen worden ist. Ein drittes Bild, für
dessen „Geschenk" an die Galerie Don Marcello
in den Zeitungen weidlich gefeiert worden ist,
das „Selbstporträt Raffaels", war nur kurze Zeit
in der Galleria Nazionale ausgestellt; es wurde
einstimmigverdammt und alsFälschungbezeichnet,

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