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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0240

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Eine Kulturkuriosität enthielt die Vitrine mit
chinesischem Porzellan des achtzehnten Jahrhun-
derts. Wie die Holländer das Blauweiss der Ke-
ramik und die Lackmalerei des Ostens nachge-
ahmt, so gehen hier die Chinesen ihrerseits auf
europäischen Spuren.

Es ist sehr drollig, zu sehen, wie in der gleichen
Zeit, als in Europa die Chinoiserien ä la mode
waren, in China die Tassen mit zopfiger Emble-
matik, mit den Bildern Maria Theresias, mit Bour-
geoisien im Chodowieckigeschmack, mit Magister-
porträts vom „würdigen Biedermann, Pastoren
oder Ratsherrn lobesam", oder dem perrücken-
überwallten Johannes Cocceius („Seht hier mit
Kopf und Ohren den Herrn, Ehrwürdig, Wohl-
geboren") dekoriert wurden.

X

Ein Schlusswort über die Poterien von Hans
St. Lerche bei Schulte. Sie wirkten nicht gefunden
und hatten nichts göttlich Freigeschaffenes. Aus-
gedacht schien diese Kombination von Steinzeug
mit Bronze, die in Schlangenform oder als Blatt-
verästung die Gefässe umspinnt. Und das Stein-
zeug begnügte sich nicht mit seiner organischen
Koloristik, sondern rief noch zur Unterstützung
die farbigen Flüsse herbei, die als Augen in der
Fläche schimmerten, ohne sie jedoch beleben zu
können. Es fehlte diesen Stücken der phantasie-
volle Spieltrieb, der sich gerade in der Keramik
so ungezwungen tummeln kann — wenn man ihn
hat.

X

Im Hohenzollem-Kaufbaus wird eine reiche und
instruktive Übersicht über die moderne Buch-
kunst geboten. In den Ausstellungen früherer
Jahre dominierten in solcher Mustersammlung die
Werke des, Auslands, heut lässt sich schon deutscher
Buchschmuck in mannigfacher Erscheinung viel-
fältig repräsentativ vorstellen. Detail und Requi-
siten der Werkstätten für Bibliophilie breiten sich
aus, Druckproben aus dem Drugulinschen Werk
der Schriften aller Völker, Eckmannsche Satzbilder;
die farbenfreudigen modernen Buntpapiere in der
an keramische Koloristik erinnernden Zufallswir-
kung überlaufener Töne, für Vorsatz bestimmt
und zum Deckenbezug; kostbares Leder von den
Originalfellen an, die schweinsledern und saffian-
prächtig sehr suggestiv und appetitlich an der Wand
hängen bis zu den raffiniert geätzten und gebeizten
Einbänden Collins, die farbiges Übergangsflächen-
spiel geben; interessante japanische Lederpapiere,
die verblüffenden Variationen narbiger Maserung
zeigen und mit den verschwenderischen Einfällen
der Natur für Schlangen- und Fischhaut wett-
eifern; zarte japanische Seidenpapiere, wie sie der

Pan und die Insel als zärtliche Schleier vor ihren
Bildern anwandten, mit zierlichem Netzwerk haar-
feiner Linien, mit Schmetterlingen und Blätter-
gewinden, luftig, hauchig, Weiss in Weiss.

Und dann zur Ensemblewirkung eine ganze
Amateurbibliothek, die reich von allen künstlerisch
strebenden Verlagen beschickt wurde. Die Über-
windung des alten im Talmiglanz prahlenden
Prachtwerks wird hier in Thaten gefeiert. Man
sieht, wie — parallel den anderen Gebieten des
Kunstgewerbes — als Reaktion gegen die Verliebe
für äusserliches Dekorieren jetzt gewisse Schlicht-
heitstentenzen gelten: Schmuckwirkungnicht durch
Ausputz, sondern durch ausgeglichene Zusammen-
stimmung aller Faktoren. Man will zeigen, dass
der Geschmack nicht durchaus in Luxusanwendung
beruht, sondern in feinem taktvollen Gefühl. So
ward der alte Pappband neu belebt, der ohne
materiellen Wert so zart und liebenswürdig wirken
kann in der Einheit der farbig getönten rauhen
Fläche mit dem sich abhebenden Titelschild eder
einem sparsamen geprägten Zierstück.

Eugen Diederichs und der Inselverlag haben
sich in solchen Bändchen vollendet die bescheidene
Anmut der Bücher vor hundertundzwanzig Jahren
zurückerobert und sie mit modernem Geist erfüllt.
Muster geschmackvoller Schlichtheit sind auch die
rauhgemaserten Cassirerbände, die sich aus dem
geschlossenen Titelletternbild in weiss Email auf
grauem Grund, ein Ornament gewinnen.

Der Hauptgünstling unter den neueren Ein-
bänden, der starkfädige Leinenband in schwarz-
grauen, grüngrauen,mattroten Schattierungen,wird
vor allem durch die Eckmannschen Einbände für
S.Fischer vertreten, und dass neben der dekorativen
Wirkung mit bescheidenen Mitteln jetzt, wie in
London und Paris, auch der geschmackgeschulte
Wille zum Wertvollen sich bethätigt, das beweisen
eine Reihe Ganzlederbände. Paul Kersten hat sich
besonders dieser Luxusprovinz des Buchschmucks
verschrieben. Er thut manchmal noch des Guten
zu viel in der Flächenbehandlung, aber viele seiner
Arbeiten sind in der Art, wie er das Leder-Material
durch das Individuelle der Narbung, des Craqueles,
der feinen Verästung für sich sprechen lässt und
dazu charakteristisch Titellettern und Bordüren
stimmt, sicher gelungen. Felix Poppenberg.

DRESDEN

Drei dresdener Künstler vereinigten sich zu
einer Ausstellung ihrer neuen Arbeiten; Gotthard
Kuehl, Robert Sterl und Richard Müller. Kuehl ist
hinlänglich bekannt: für uns ist es besonders er-
freulich, zu merken, wie er sich immer mehr in
den Geist der Stadt einlebt und neue Bilder ver-
schiedener Teile, besonders der Elb- und Brücken-

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