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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Veth, Jan: Pro Arte
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0255

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gewissen Zeitpunkt signiert hatte und wie des wahren Kunstliebhabers verriet. Um von
vor oder nach der Zeit. Seiner Mitteilung einem zu reden, den jeder kennt, ist eine Be-
nach hatte es sich nun herausgestellt, dass gegnung mit Dr. Rode für jeden Verehrer des
Hemling eigentlich Memling hiess und das Schönen ein Genuss. Ist man selbst Künstler, so
Todesjahr von Rembrandt und das Hochzeits- ist man eines guten Empfangs desto sicherer,
datum von Hobbema war nun gefunden. Dieses denn dieser Museumsdirektor weiss die natür-
Alles machte Rousseau verdriesslich. Stellte liehen Kenntnisse und das Urteil von Künstlern
Thore sich vor seine Staffelei, so lautete die nach ihrem Wert zu schätzen. Seine Aeusser-
Bemerkung: sieh mal, das ist genau so gemalt ungen über Kunst lassen nirgends an den nüch-
wie der Rembrandt oder jener Cuyp oder fernen \Cisser denken. Sein Lob oder Tadel
Ruysdael, — aber der Künstler, der doch entspringt aus voller Lebenskraft und riecht
meinte, dass seine Bilder aus sich selbst etwas nie nach der Lampe. Seine Sprache hat den
Lebendiges sagen könnten, wurde ungeduldig Accent des leidenschaftlichen Streiters und des
darüber und fand, dass in diesem Kenner ein Mannes von Geschmack zugleich, und nicht
Empfinder verlorengegangen war. Und Millet leicht wird man ihn dabei ertappen, dass er
konnte sich nicht vorstellen, dass das nun der die schulmeisterhaft dokumentären Beweis-
Mann war, den man ihm nach Erinnerungen gründe des Blichschreibers auftischt. Es ist
von früher als besonders warmen Kunstver- ein Genuss, in seiner Gesellschaft die Runde
Steher bezeichnet hatte. Aber Rousseau sagte durch die seiner Fürsorge anvertraute Samm-
zu ihm: „ er ist der Alte nicht mehr, die Ge- lung zu machen.

lehrten haben ihn verdorben". Fährt man mit ihm durch die Stadt, in der

Diese Geschichte, die an und für sich ihre er lebt, so wird er Gelegenheit finden, einen

betrübende Seite hat, scheint mir nur allzu auf ursprüngliche Weise über die ältere und

charakteristisch für gewisse Verhältnisse und neuere berliner Architektur zu unterhalten oder

Anschauungen. Die Gelehrtheit hat schon über die Thorheit der Denkmälerwut. Trifft

Manchen verdorben, und noch mehr Leute man ihn vor einem Blumenladen, so wird er

verhindert, ihren eigenen Unwert zu ahnen, auf die geschmackvolle Anordnung oder auf

Nüchterne Sachkenntnis füllt bei Vielen die eine schöne Blumensorte aufmerksam machen.

Leere an tieferem Verständnis aus, aber das DerMann, der von Haus ausdurch seine Studien

sogenannte buchstäbliche Treiben der Kunst- über Frans Hals und Rembrandt seine Autori-

geschichte bringt sogar über diejenigen, welche tat begründete, kann es nie unterlassen, von

von Haus aus in der That doch Künstler- der Reise für seine Freunde einen persischen

naturensind, oft eine unangenehme Abkühlung, Teppich, ein hübsches Stück maurischer Kera-

eine geschmacklose Pedanterie, und es liegt mit mik oder ein romanisches Glasfenster oder

der Kunstgeschichte wohl ebenso wie mit so eine antike Bronze oder einen altflorentinischen

vielen zum Fach gemachten Sachen, dasStudium Rahmen oder was nur Edles oder Feines zu

wird Zweck anstatt Mittel. Ebenso wie die finden ist in der Schönheit weitem Gebiet, mit-

Theologie nicht selten weit vom religiösen Sinn zubringen. Einen ganzen Abend kann man

entfernt bleibt und die Rechtsgelehrtheit von ihn Japanlacke mit Vergnügen beschnüffeln

demBefördern des Rechten, ebenso giebt es eine sehen oder auch moderne französische Drucke,

Art von Kunstgelehrten, in deren Gesellschaft und wenn man eine Kollektion Rembrandt-

der mit dem Herzschlag der Kunst Vertraute Zeichnungen mit ihm durchstöbern darf, zeigt

sich wie unter völlig Fremden fühlt. Ich bin er das Vergnügen eines ausgelassenen Jungen,

dennoch weit entfernt davon die Männer der In diesem so unermüdlich in so manchem

Zunft über einen Kamm scheren zu wollen Kunstzweig thätigen Arbeiter steckt nichts vom

und es war mir vergönnt, Kunsthistoriker Bücherwurm, nichts vom Experten, nichts

ersten Ranges zu treffen, deren Handeln, deren vom Beamten, was sich vordrängt. Er ist

Wort, deren Geberde die unbefangene WTärme der mit dem Wesen so vielseitiger Schön-
 
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