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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Veth, Jan: Pro Arte
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0256

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heit Vertraute, der all das Andere zum Mittel sind so oft geneigt, zu vergessen, was für

nimmt, und dessen Lebenswärme dem ausser- Wunder vergangene Geschlechter hervorge-

halb dieser Fachstudien Stehenden gerade so bracht haben, und in dem Dienst der Ehrfurcht

viel Vertrauen zu dem Werte seiner positiven vor dem, was da Grosses und Schönes und

Forschungen giebt. Ich erlaubte mir einmal, Menschliches gezeugt worden ist, stehen sie

ihn zu fragen, was er für das Beste hielte, da als achtunggebietende Priester. Aber dann

was über die alten Holländer gesagt worden müssen sie auch die Liebe pflegen und nicht

wäre; ohne Zögern nannte er mir das an das geisttötende am Buchstaben Kleben, dann

dokumentärem Wert leere aber in Wahrheit müssen sie vermittelnd wirken und nicht ab-

so köstliche Büchlein von Essays über unsere stossen, dann müssen sie Leben ausstrahlen und

alten Meister: die „maitres d'autrefois" von keinen Bücherstaub verbreiten. Dann müssen sie

dem ungelehrten französischen Maler Eugene trachten, sie, die Eingeweihten und Vertrauten

Fromentin. eines jedenTages, das Wesen ihrer Beschäftigung

Aber wenn man auch in der letzten Zeit nie aus dem Auge zu verlieren für den Beruf,
in Deutschland Mehrere findet, welche in das Mittel nicht hervorzuheben auf Kosten des
der Weise mit der Kunst verkehren, so Zwecks. Ihrer ist die Pflicht, das heilige Feuer
kommt es dennoch zu oft vor, dass die Fach- stets brennend zu erhalten,
männer der Kunstgeschichte sich über die Aber leider; in der schulgemässen Unter-
Auffassungen der Künstler selbst einigermassen suchung liegt so Vieles, was der unmittelbaren
geringschätzig auslassen, und wo derart die Wirkung auf den Ungelehrten aber Empfind-
Pedanterie des Kunstgelehrten den Künstler samen feindlich werden kann. Es giebt so-
selbst, das heisst den intuitiv Verstehenden aus genannte Kenner und brauchbare Experten, ich
der Thür zu drängen sucht, erinnert mich kenne solche, welche mit grosser Sicherheit und
das unwillkürlich an einen Ausspruch eines Zurschaustellung von Kenntnissen über Bilder
älteren und sehr gediegenen niederländischen in demselben Ton der Nüchternheit sprechen,
Kunstfreundes, der in seinen Ausdrücken sehr mit dem in den Klubs über die Börse verhandelt
malerisch zu sein pflegt und in seiner heftigen wird, oder welche, wenn sie einen Druck
Ungeniertheit oft genug den Nagel auf den unter die Augen bekommen, schnell nach der
Kopf trifft. Buchstabierung eines Namens, oder nach der

Ein jüngerer Fachgenosse gebrauchte ein- Jahreszahl, oder nach dem Wasserzeichen des

mal in seiner Anwesenheit etwas missachtende Papiers, oder nach der Marge gucken, und das

Worte über die Maler, worauf der Aelterc und bei einem prachtvollen Stich ebenso wie bei

Weisere frisch von der Leber weg die Be- Schund. Ich denke, dass Jozef Israels kaum

merkung machte, dass der Andere wohl ein wissen wird, wann Rembrandt geboren wurde,

Tönchen tiefer anschlagen dürfte, weil doch und dass der erste beste Dilettant den grossen

schliesslich ohne diese Künstler die Kunst- Maler in einem Examen der Kunstgeschichte

historiker garnichts zu thun haben würden.... durchfallen lassen könnte. Aber, wenn der

oder nein, seien wir nicht zu zaghaft, den Meister über einen schönen Rembrandt spricht,

familiären Ausspruch des wackeren Holländers, fühlt man, dass Niemand dem Heros näher

wie er war, anzuführen, der sich selber be- steht im wesentlichen Erfassen als er, und mit

scheidener Weise mit zu den Untergeordneten der Geberde seiner nervösen Hände und dem

zählend, zu dem Anderen sagte: Wir sind Zucken seines ausdrucksvollen Munds allein

schliesslich doch nur die Läuse der Maler! schon weiss er die Wirkung des Kunstwerks

Die Züchtigung war verdient, aber ich wachzurufen. Als Israels aus Spanien zurück-
denke dennoch nicht daran, die Studierenden kam, erzählte er ganz angethan von Velazquez.
der Kunst im Allgemeinen zu brandmarken. Ob er denn so schön sei wie Rembrandt, fragte
Die Kunsthistoriker, die Museumsdirektoren ich? Und mit einer Intensität in dem Aus-
haben eine herrliche Aufgabe zu erfüllen; wir druck seiner Augen, welche mich auf einmal

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