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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Mackowski, Hans: Hans Baluschek
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0345

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primitives Logis an und findet einen anspruchs- zug zu verdienen, die er mit unternehmender

losen Abnehmer. Dieser erste Badegast zögert Flottheit begonnen und rasch zu Ende gebracht

nicht mit einer faute de mieux angezettelten hat. Für diese ihm selbst am meisten sym-

Liebelei die Aussicht auf ein gedeihliches mit pathische Arbeitsweise hat der Künstler in

allem Komfort ausgestattetes Modebad trost- den Oelfarbstiften das ihm handgerechteste

reich zu eröffnen. Material gefunden. Wenn auch diese bunten

Die reporterhafte Sachlichkeit der Schil- Zeichenstifte den sinnlichen Reiz der Farben

derung ist wesentlich modern, hervorgegangen und die abgestufte Feinheit der Töne schuldig

aus der Schule des Naturalismus, wie ihn die bleiben, erlauben sie dafür ein bequemes,

Anhänger Emile Zola's verstanden. Aber das rasches, durch keine Perioden des Trocknens

Temperament ist kühl, neigt zur Reflexion, gehemmtes Arbeiten. Und wieder ist es der

zur Kritik vielmehr als zur Synthese. Zeichner, nicht der Maler, der sich in dieser

Die Schwäche der Baluschekschen Arbeiten Technik bekundet. Wie weit dabei die Schule
liegt auf technischem Gebiet. Selten aller- auf der berliner Akademie nachwirkt — aus
dings, dass er sich, wie auf dem Bilde der der kein einziger grosser Kolorist jemals her-
langweilig Kopf an Kopf gereihten Fabrik- vorgegangen ist — vermag ich nicht zu sagen,
mädchen, in der Abgrenzung der Bildform ver- Fragt man nun nach dem Grunde der doch
sieht; wohl aber misslingt ihm oft die starken Wirkung, die diese vom Standpunkte
Gestaltung des Raumes. Sein Gefühl für räum- künstlerischer Ansprüche oft fragwürdigen
liehe Verhältnisse ist unsicher. Er übersieht Arbeiten hervorgerufen haben, so kommen
meist die raumbildende Kraft des Mittel- die Vorzüge des Künstlers zum Vorschein,
grundes. Seine Figuren kleben aufeinander Ihm ist das Glück zu Teil geworden, dass er
oder zeigen im gleichen Raum unmögliche von Natur aus, ohne schmerzliches Schwanken
Grössenverhältnisse (z. B. auf dem Bilde und quälenden Zweifel auf eine bestimmte
„Montag Morgen"). Die modellierende Kraft Aufgabe sich gewiesen sah. Ihm ist die nacht-
seiner Lichter und Schatten ist bei der geringen wandlerische Sicherheit der Erkenntnis, wohin
Nüanciernng der Halbtöne nicht eben gross sein Talent drängt, eigen—ein Angebinde, das
und er muss mehr durch die Linie als durch den ganz grossen Begabungen immer, den
die Farbe zu wirken suchen. Seine Zeichnung kleineren seltner für ihr Leben mitgegeben
lässt sich an einer allgemeinen charakteristi- wird. So hat er es früh zu einer starken
sehen Eckigkeit genügen, über die hinaus Eigenart bei ebenso starker künstlerischer
seine Stoffe allerdings nur wenig Anforderun- Einseitigkeit gebracht. Aus allem, was ei-
gen noch stellen. Dies befähigt ihn vielmehr macht, spricht der Glaube an sich, eine Macht,
zum Illustrator als zum Maler. Nach seinen die etwas Zwingendes hat. Ihr verdankt er,
vorliegenden Leistungen zu urteilen, gelingen dass die unleidliche moderne künstlerische
ihm die kleineren Formate stets besser, als die Pose ihm fremd blieb, sie macht ihn taub
anspruchsvollen grandes machines, die zu gegen den empörten Einspruch der Sittlich-
füllen man ihn hie und da in Verlegenheit keitsphilister.
sieht. Seine mitunterlaufenden Roheiten, seine

Als Illustrator besitzt er alle Eigenschaften manchmal beleidigende Gefühllosigkeit be-

des künstlerischen Journalisten: den sicheren stätigen doch nur die Gesundheit seines Em-

Ueberblick, die hellen offenen Augen für pfindens. Er drängt sich nicht auf mit Ueber-

das Charakteristische und die flink zugreifende treibungen oder mit Geistreicheleien. Wenn

Hand. Seiner derben, den Gegenstand scharf er seine Kunst treibt, so ist er stets bei der

fassenden Zeichnungen in dem kurzlebigen Sache, nicht wie so viele bei dem künftigen

satirischen Blatt „das Narrenschiff" wird man Erfolg, stets seines Gottes voll, wenn auch

sich gern erinnern. Und unter den aus- dieser weder Apoll noch Dionysos ist. Was

geführten Arbeiten scheinen mir jene den Vor- könnteer auch mit seiner Kunst bezwecken

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