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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Veth, Jan: Rheinreise, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0385

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DOMANSICHT 1863

zu selbstzufrieden sich mit dem Segen einer
neuen Bildung brüsten, daran erinnert, dass
ihre Vorgänger Bilderstürmer gewesen sind,
die das Höchste und Feinste von der Arbeit
ihrer Väter heruntergezogen und übel zu-
gerichtet haben — aber wenn man die Kir-
chen, die im Dienst der Katholiken bleiben
durften, als Ueberbleibsel einer verarmten
Schönheit ehrfurchtsvoll zu betreten wünscht,
so drängt sich nach solchem Besuch einem
die Frage auf, ob die grössere Schuld jene
treffen muss, die bewusst und absichtlich die
Zeichen eines ihnen feindlich gewordenen
Glaubens zerstört und verstümmelt haben oder
aber die Andern, die durch ihre Verständnis-
losigkeit gegenüber dem Wesen der ihnen
überlieferten Schätze mit Puppenkrämerei
und nüchternem Geklebe ihre Tempel ent-
weiht haben.

Wahrlich, wollte hier die hohe katholische
Geistlichkeit sich als würdige Hüterin einer
heiligen Tradition erweisen, so müsste sie
selbst heutigen Tages mit einem Bildersturm
beginnen, der all das elende Machwerk von
den Zinnen und aus den Kapellen ihrer Tempel
triebe! Es ist jedoch zu bezweifeln, ob ein

Papst kommen wird, der den Bannfluch gegen
die durch den Clerus sanktionierte Ketzerei
schleudert und das, was uns von den schönsten
Monumenten des Mittelalters bleibt, unter der
eitlen Schminke hervorholt, um es so weit es
noch möglich ist, als unantastbare Ueber-
bleibsel in Ehren wieder herzustellen.

Es giebt trotzdem noch eine Macht, eine
ewig wiederkehrende, versöhnende und er-
hebende, die uns auf eine Weile die Schmach
vergessen lässt und uns, wenigstens von der
Strasse gesehen, die Hoheit des Kölner Doms
glanzreicher und zu gleicher Zeit wie geläu-
tert erscheinen lässt: die magische Macht des
Mondlichts.

Nur das Mondlicht allein gönnt es uns, die
Blicke bewundernd über den grauen Traum
der Jahrhunderte schweifen zu lassen, gönnt
uns in seinem stattlichen Schatten und inmitten
des schlummernden Weltgewühls ein ehr-
furchtsvolles Versenken in das stolze Schau-
spiel jenes riesigen Ciboriums von düsterm
Stein. Das Mondlicht, welches die kalten
Machwerke späterer Puppen, Baldachine, Stre-
bepfeiler, Wasserspeier und Türmchen in den
gewagten Zug eines gewaltigen architektoni-

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