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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0455

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Kraft des schöpferischen Willens, dass man es chaumiere du Bocage," um sich zu erinnern, wie
nicht weiter diskutiert. Kurz gesagt: die Salons viel eindringlicher, berechtigter geradezu das
stellen einen so unwillkürlich auf die Frage nach L' Hermitte gemacht hätte. Und schliesslich, vor
gut oder schlecht für die Beurteilung ein, dass sie diesem und jenem, wie gut, vielleicht wie inter-
eigentlich schon gerichtet sind, während man noch essant könnte es sein, wenn nicht andere voraus-
über sie richtet. gegangen wären, von solchen, die noch leben und
Qualitativ mögen beide Ausstellungen so ziem- solchen, die tot sind, von denen aber etwas in der
lieh auf der gleichen Höhe stehen. Die „Societe Erinnerung auftaucht, ohne dass man sie gleich
nationale des Beaux-Arts" hat vor der „Societe bezeichnen könnte. Zuguterletzt, auch das ist
des Artistes Frangais" bei ihrer quantitativen nicht zu leugnen, denkt man auch an deutsche
Minderheit — das voraus, dass ihre Künstler uns Meister, solche, die man als hier verarbeitet an-
näher stehen, ihre Kräfte jünger sind, und so ihre merken möchte, aber auch an solche, die dies und
Werke mit manchem, was lebendig in uns, eher gerade dies besser gemacht hätten. Eines nur fällt
unterhalten als dort, wo wir so viel Ruhendes in als eine besondere Errungenschaft auf: das bestellte
uns erst beleben, so viel Totes in uns erst aufer- Porträt. Es wird vielleicht nirgends in der Welt
wecken müssen. Denn schliesslich mögen wir doch mehr zur Zufriedenheit des Bestellers ausgeführt
noch lieber ein Bild von Raffaelli als etwa von als gerade hier. Von Eigenpersönlichem haben die
Grand-Jean, von Faivre lieber als von Flameng Maler nichts darin — und auch vom Eigenen des
oder Humbert, La Touchie lieber als Etcheverry, Dargestellten sagen sie nicht viel, — aber sie
so verwandt auch vieles in ihnen, wie in anderen, schaffen ein ähnliches Bild, und wohl meist, was
nicht aufzuzählenden, auch sein mag. Wir ver- man ein „Bild'* nennt. Um nicht alles, was Quali-
mögen bei den Jüngeren doch eben mehr Frei- tat in diesen Arbeiten behält, auf das Virtuose
heiten zu entdecken, ohne gewiss zu sein, dass sie des Könnens abzuladen, in ihnen kommt das All-
sie an sich auch haben und für die Zukunft uns be- gemeine des Lebens zu seinem besonderen Aus-
halten werden. Und was jünger erscheint bei den druck; in ihnen zügelt der Geschmack einerseits,
Alten der „Artistes Frangais" und sich in'der Stoff- andererseits trägt er. Die Note feiner Erziehung
wähl als moderner, realistischer etwa aufweist wie ist in ihnen, die charmante, weltmännische Art des
„A la cremerie" von Desportes, „Crepuscule Sichunterordnens und so Dominierens. Sie sind
d'hiver" von G. Fournier, „Soupe populaire" von nur Bilder für die Boudoirs und Salons — für die
Gourdault, wie unfertig, wie unbefriedigend in Salons vergangener Stile, in denen sich die Eigen-
ihrer malerischen Behandlung und vor allem wie art der Besitzer nicht mehr ausdrückt, in denen
technisch zurückhaltend, unfrei erscheinen sie uns! sie sich in Arrangements und Parfüms geradezu,
Oder gar ein Bild wie Natets„Devantlemarcheaux in einzelnen Sorgfältigkeiten und Kostbarkeiten
chevaux" mit einer guten Charakteristik der armen und einem nie versagenden Charme der Einzel-
abgetriebenen Pferde und also im „Salon des Ar- erscheinung und des bewegten Verkehrs Zuflucht
tistes Francis" mit einer auffallenden „Wirklich- gesucht hat. Darum, was für ein grosser Abzug
keit," mit einem hier nicht angenehmen, aber uns ist zu machen, wenn in diesen Porträts der eigene
um so deutlicheren, sozialen Pulsschlag, wie wenig Beitrag des Künstlers festgestellt werden soll!
bedeutet es schliesslich malerisch als Persönlich- Und wie wenig bleibt nach diesem Abzug! Doch
keitsdokument! Oder in Gustav Adolph Grans der Fall der Porträts ist kein Fall, der vereinzelt
„La deule ä Pont-ä-Vendin" (Pas de Calais), wie dasteht, er ist die Regel auch für die übrigen Ge-
viel scheintschongethan, dass hier durch ein eigenes mälde, nur bei ihnen nicht so durchsichtig als dort.
Gesichtsfeld, durch eine besondere Ansicht ein Die französische Kunst ist ganz und gar Produkt
festes Ergreifen des Stoffes ein gutes Bild zu stände geworden aus der Kunst! Im „Salon des Artistes
gekommen ist! Und doch — wie stark bleibt der fran^ais" findet man die Schulen — der Katalog
Rest — derRest, in dem der Stoff gebunden statt aus- verzeichnet bezeichnenderweise jeden Künstler
geschöpft, aber gar nicht ausgeschüttet, erscheint. als Schüler dieses und jenes Meisters — denn
Oder man steht vor des Londoner Percy Gibbs' Leute wie Bouguereau, Lefebvre, Heuner und all
„Chant du soir" mit einer gut, aber zu platt ge- die, die „Hors concours" sind, sucht man doch
gebenen Beleuchtung durch die Klavierlampen, nicht mehr. Und begegnet man Luigi Loir oder
mit vorsichtigem Sichhüten vor Effekthascherei, Henry Martin, der ein grosses dekoratives Ge-
aber nicht ohne Trockenheit und Steifheit dabei, mälde „Panneaux decoratifs" in seiner Punktier-
und denkt sich, Besnard hätte das Bild malen, hätte manier ausgestellt hat, so fragt man sich, ob man
alles darin ein wenig übersteigen, sogar ein wenig das noch in ihnen findet, was man einst in ihnen
übertreiben sollen, wie näher und sprechender gefunden. Genau wie mit diesen hier, gehts mit
wäre es uns! Oder man hält einmal an vor Georges den anderen dort, im „Salon des Beaux-Arts".
J. J. Le Febvres stumpfen, trockenen Farben und Man sieht Duran, und lehnt ihn ab, die Schafe
kreidigen, mehr zeichnerischen Tönungen im „Une Gaston Guignards scheinen das Lob nicht zu ver-

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