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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 1
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Mayr, J.: Leibl und Courbet
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0040

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war Wilhelm Leibi. Er wurde nicht müde, an den
Lettenbauer-Abenden, die lange Zeit von dem „für
und wider Courbet" beherrscht wurden, die Partei
des Franzosen, der sich in seinem Vaterlande be-
reits zur Anerkennung durchgerungen hatte, zu
ergreifen und ihn gegen alle Angriffe zn schützen.
Denn er hatte sofort die ausserordentliche Wahr-
heit und Kraft dieser Malerei erkannt und konnte
sich nicht satt an ihr sehen. Statt der Eröffnungs-
Zeremonie der Ausstellung anzuwohnen, benützten
er und Sperl die ruhige Stunde, um Courbets
Bilder zu geniessen und zu bewundern und so oft
Leibi die Ausstellung besuchte, war immer sein
erster Gang zu diesen Meisterwerken.

Im Herbste desselben Jahres nun kam Courbet
selbst nach München, zurückkehrend von einer
Reise, die er nach Tirol und in das bayrische Gebirge
unternommen hatte. Er verblieb dort etwa 4—6
Wochen und verkehrte tagtäglich mit den münchner
Künstlern. Professor Ramberg, den Courbet auf-
gesucht hatte, kam mit demselben häufig abends
zu Lettenbauer und übernahm das Geschäft eines
Dolmetsch und im Cafe Probst, wo Courbet auch
jeden Nachmittag zu treffen war, besorgte dieses
Amt der Sohn des Besitzers, Herr Stengel. — Cour-
bet arbeitete auch während seiner münchner Zeit,
indem er in der alten Pinakothek das Rembrandt-
sche Selbstporträt kopierte, in Rambergs Atelier
eine Aktstudie und am Starnberger See eine Land-
schaft malte. Letztere Arbeit erregte die Bewun-
derung der münchner Künstler auch insofern, als
der französische Kollege trotz vorgeschrittener Kälte
stundenlang unter freiem Himmel an dem Bilde
selbst arbeitete. Man war ja nur rasche Studien im
Freien und dann Atelierarbeit gewöhnt. — Übri-
gens war Courbet in der That ein robuster und
gegen sich harter Mann von einfacher Lebensweise.
In München machte er auch durch seine Kleidung
Aufsehen, bei der die hohen Stiefeln und die Bluse
auffielen, besonders aber die Fuhrmannskotze, die
er nach Art unserer Bergbewohner als Wettermantel
trug.

Mit Leibi stand Courbet bald auf vertrautem
Fuss. Das Bildnis der Frau Gedon hatte Courbets
höchste Bewunderung erregt und überhaupt trafen
sich die Kunstanschauungen der beiden in dem
einen Punkte: uneingeschränkte Naturwahrheit.
Für Courbet war Leibi der beste unter den münch-
ner, ja der beste unter den lebenden deutschen
Malern überhaupt. Auch in äusseren Gewohnheiten,
insbesondere in der Einfachheit der Lebensführung,

hatten sie viele Ähnlichkeit und fühlten sich auch
dadurch zueinander hingezogen. Für Leibi war die
französische Sprache durchaus nichts gänzlich Un-
bekanntes. Er konnte das Französische gut lesen,
wusste die ihn betreffenden Kritiken französischer
Blätter richtig zu übersetzen, aber die Übung des
Sprechens fehlte ihm vollends. Er verstand Cour-
bets Bemerkungen häufig sehr gut, konnte dies
durch kurze Worte auch zum Ausdruck bringen,
aber bis zum Dialog reichten seine Kenntnisse nicht.
Courbet aber war des Deutschen völlig unmächtig.
So kam es, dass häufig ein Blick und ein verstän-
diges Lächeln, eine Geste oder ein Händedruck,
das offenbaren musste, was die Zunge verweigerte
und oft genug lag der Ausdruck des beiderseitigen
Einverständnisses einzig und allein im gegenseitigen
Zutrinken. — Einmal soll Leibi auf einer Künstler-
kneipe Courbet samt seinem Stuhle auf den Tisch
gehoben und ihn unter dem tosenden Beifall der
Anwesenden sozusagen zur Bewunderung ausgestellt,
dann ihn wieder sachte mitsamt dem Stuhle herab-
gehoben haben.*

Im Oktober 1869 kam zu Leibi in die Aka-
demie ein Mitglied der französischen Gesandtschaft
Herzog Tacher de la Pagerie mit noch ein paar
Herren und einer Dame. Sie sprachen mit Be-
geisterung von dem Porträt der Frau Gedon und
redeten Leibi zu, nach Paris zu gehen, um Porträts
zu malen. Er würde Aufträge genug finden und
könne sich dort eine vornehme Existenz gründen.
Ja die Dame, Madame de Lanx, die unter dem
Pseudonym Juliette Braun selbst malte, bat ihn, sie
in Paris zu porträtieren, wozu sie ihm ihr eigenes
Atelier zur Verfügung stellen wolle.

Leibi selbst berichtet darüber in einem Brief
vom 17. Oktober 1869 an seine Eltern:

„Gestern war der Herzog Tacher, ein Vetter
des Napoleon, in Begleitung einer vornehmen
Dame, die aber unter einem anderen Namen Malerin
ist und in Paris schon die Medaille gewonnen hat,
ihres Mannes und ihres Bruders in der Pilotyschule,
wo ich ihnen einiges von mir zeigte. Die Malerin
wie der Herzog und die übrigen waren ganz be-
geistert von meiner Malerei und versicherten mir,
dass ich weitaus das schönste Porträt auf der Aus-
stellung habe. Diese Dame nun wünscht von mir
gemalt zu werden und zwar in Paris, wo ihr eige-
nes, prachtvolles Atelier mir zur Verfügung stände
nicht allein für das Porträt, sondern ich könnte

* Kölnische Zeitung 24. Dezember 1900, Erinnerungen an
Wilhelm Leibi von Hermann Becker.

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