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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 5.1907

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Heft 3
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Liebermann, Max: Wilhelm Bode
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https://doi.org/10.11588/diglit.4704#0105

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Jässt er andern: seiner impulsiven und eruptiven
Natur fehlt die Geduld. Daher auch die gelegent-
lichen Schnitzer, die ihm seine „guten Freunde",
die berufsmässigen Kritiker mit um so grösserem
Behagen aufmutzen, je weniger sie an die Grösse
des Mannes und an den Wert dessen, was er thut
und schreibt, heranreichen.

Bode weiss, dass, wie Kant sagt, die Lust am
Schönen einem durch keine Beweisgründe aufge-
schwatzt werden kann. Er treibt praktische Kunst-
geschichte: die Kunstkenntnis soll Kunstliebe er-
wecken. Das Museum soll nicht eine Oase in der
Wüstesein,sondern es soll das ganzeLand befruchten.
Daher regt er die Amateure zum Sammeln von
Kunst an, daher gründete er den Kaiser Friedrich-
Museums-Verein.

Aber was Bode erst zum unvergleichlichen
Museumsdirektor macht, ruht in seinem unfehl-
baren Instinkt, der ihn nie verlässt und der das
Wunder bewirkt, dass Bode— wie mancher Künst-
ler, der durch seine Werke seine falschen Theorien
Lügen straft — auch da zu richtigen Resultaten ge-
langt, wo seine ästhetische Beweisführung irrig
sein sollte. Und, was heutzutage besonders her-
vorgehoben zu werden verdient: Bode verschont
den Leser mit der gerade bei Kunstschriftstellern
so verbreiteten „Wonnebrunst" und um seine
eignen Worte zu gebrauchen, mit „den ästhetischen
Gespinsten, die einer richtigen Würdigung des
Künstlers nur hinderlich sein müssen''. Bode geht
stets von der Betrachtung des Kunstwerkes aus; da-
her bleibt er objektiv, soweit ein temperamentvoller
Schriftsteller überhaupt objektiv sein kann. Wie
der Künstler — nach Schillers schönem Wort —
sein Gesetz vom Objekt d. h. von der Natur em-
pfängt, so soll der Kunstschriftsteller sein Gesetz vom
Kunstwerk erhalten. Er muss beim Schreiben das
Kunstwerk vor Augen haben und nicht nur das
eine Werk, über das er gerade schreibt, sondern —
da alle Kritik auf Vergleich beruht — das ganze
Kunstgebäude, worin das einzelne Werk nur
einen der Steine, Pfeiler oder Türme des ganzen
Baues bildet. Natürlich muss die beinahe uner-
messliche Kenntnis des Materials, über das der
Sammler gebietet, dem Schriftsteller ungemein zu-
gute kommen, daher Bode, neben der Einordnung
des Meisters in die Epoche, die Gruppierung und
Klassifizierung der Werke des einzelnen Malers be-
sonders gelingt. Durch ihn haben wir erst die so-
genannten grünen Bilder des jungen Rembrandt
kennen gelernt; wie Hercules Segers auf Rem-

brandt, wie Ruysdael auf Hobbema befruchtend
eingewirkt hat, erfahren wir erst durch ihn.

Aber ebenso natürlich, dass das Kunstästhetische
neben dem Kunsthistorischen in Bodes Buch zurück-
tritt. Ästhetisch folgt Bode zumeist Koloff und
Fromentin und er beweist auch darin wieder den
sicheren Blick, denn, was auch über Rembrandt und
die holländische Malerei geschrieben ist: Tieferes
über sie als von diesen Beiden ist von niemand ge-
schrieben worden.

Bode verehrt in Rembrandt den Gipfel hollän-
discher Kunst; und Ausnahmen wie Böcklin, der
Rembrandt gering schätzte, bestätigen wohl nur
die Richtigkeit des jetzt allgemeinen Urteils. Wenn
er aber an Rembrandt das germanische Element be-
sonders hervorhebt, so geschieht es wohl nach dem
Grundsatze: post hoc, ergo propter hoc. Goethe
hat ganz recht, wenn er sagt, dass das Genie der
Welt gehöre. Weil Rembrandt ein Holländer war,
der in Amsterdam lebte, hat er sich so entwickelt,
wie wir ihn aus seinem Werke kennen, aber die
Rasse hat wohl nichts oder nur wenig damit zu
thun. Überhaupt bleibt es immer misslich, mit
Worten, worunter jeder etwas anderes versteht, in
der schon so vagen Terminologie der Ästhetik
zu operieren. Könnte man nicht in dem Franzosen
Millet z. B. viel eher das germanische Element sehn,
als in dem berolinisierten Breslauer Menzel, den man
ohne Schwierigkeit für einen Landsmann Voltaires
ansprechen dürfte. Noch misslicher aber, in Rem-
brandts Kunst das Christentum hervorzuheben.
Noch Koloff nahm Rembrandt gegen den „Vor-
wurf" in Schutz, ein Jude gewesen zu sein. Nicht
nur lebte Rembrandt im Judenviertel, nicht nur
entnahm er ausschliesslich seine Modelle dem Ghetto,
seine architektonischen Hintergründe der Syna-
goge, nicht nur wählteer seine Sujets mit grösserer
Vorliebe aus dem alten als dem neuen Testamente.
Die Kunst hat mit dem Dogma nichts zu thun,
denn die Kunst ist nicht Dogma, sondern Religion.
Rembrandts Kunst ist der Ausdruck höchster
Menschlichkeit.

Ich pflichte Bredius bei, wenn er in einer Kri-
tik des Bodeschen Buches meint, dass der Autor
dem Frans Hals nicht ganz gerecht geworden wäre:
sowohl räumlich — er widmet ihm nur drei Seiten
— wie auch (was ausschlaggebender ist) sach-
lich. „In der Komposition hat Frans Hals eine volle
künstlerische Abrundung nicht einmal angestrebt
und seine Malweise, so genial sie ist, hat häufig die
erdige Schwere und Körperlichkeit, die der Farbe

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